
„Wir sollten mehr mit- als übereinander reden.“ Den Satz habe ich schon oft gehört. Nur erleben tue ich ihn selten – und schon gar nicht beim Thema „Corona“.
Miteinander ist etwas anderes als GEGENeinander!
Um mit einem heutzutage offenbar klassischen Missverständnis aufzuräumen: Miteinander reden heißt nicht, dass ich dem Gegenüber jetzt mal ordentlich die (eigene) Meinung sage, ihm sozusagen mit der eigenen Meinungskeule eins überbrate, damit auch dieser „Idiot“ endlich versteht, dass ICH recht habe…!
Ich habe dann nämlich gerade nicht versucht, MIT dem anderen zu reden, sondern GEGEN ihn. Es erscheint wenig verwunderlich, dass das dem Gegenüber meist nicht gefällt. Er holt seine eigene „Keule“ heraus, und das war’s dann mit der „Kommunikation“. Übrig bleibt dann nur die Erkenntnis, dass man mit dem / der anderen sowieso nicht reden könne – und der Streit, wer „schuld“ ist.
Echte Kommunikation hat viel mit Zuhören zu tun. Natürlich möchte man „die anderen“ von der eigenen Meinung überzeugen. Das liegt vermutlich in der Natur der Menschen. Und ich will das natürlich auch (schon alleine deshalb, damit diese Alltags-Gesichtsmasken endlich der Vergangenheit angehören… ;-)). Aber ich versuche zu verstehen, was die Menschen mit der „anderen Meinung“ antreiben könnte. Menschen, die so vehement die „Corona-Sicherheitsregeln“ einfordern, sie verschärfen und ständig kontrollieren wollen. Immer höhere Sanktionen gegen jede*n fordern, der / die gegen diese „Regeln“ verstößt.
Und ich wünschte mir, dass „die andere Seite“ mir genau das auch mitteilt. Was ist denn das eigene Bedürfnis, das hinter diesen Forderungen steht?
Ein existenzielles Sicherheitsbedürfnis aus Angst vor dem Tod durch das Virus? Dieser Angst könnte man mit einem neutraleren Blick, einer echten wissenschaftlichen Einordnung der vorliegenden wenigen Daten und Zahlen doch möglicherweise begegnen. Indem man sich die Todeszahlen unvoreingenommen anschaut und mit der jeweiligen Einwohnerzahl, der Zahl der positiv Getesteten, der Zahl der insgesamt Getesteten und den Todeszahlen aus anderen Ursachen ins Verhältnis setzt. Wenn man das ganz unvoreingenommen machen würde, könnte man eventuell auch erkennen, ob, und was die „Corona-Regeln“ gebracht haben könnten (in jeder Richtung). Auch könnte man dieser Angst medial begegnen, wenn man in den Berichten über Covid-19 die weit überwiegende Anzahl der ohne größere Komplikationen Gesundeten in den Vordergrund stellen würde, statt ständig Einzelfälle mit schweren Verläufen zu präsentieren.
Steht hinter diesen Forderungen das Bedürfnis, die Angst vor dem unsichtbaren Virus in Wut auf einen sichtbaren Feind umwandeln zu können? Nämlich auf die „Maskenverweigerer“, die damit in der Wahrnehmung der Befürworter sozusagen selbst zum Virus geworden sind? Zum „Sündenbock“, an dem man seinen Frust abreagieren kann? (Manch einer der wütenden Personen ist früher mit jedem grippalen Infekt zur Arbeit gegangen, nachdem sie sich „etwas eingeworfen hatten“, ohne sich je Gedanken zu machen, dass jeder Infekt Menschen mit schwachem ebenso wie Menschen mit überschießendem Immunsystem gefährden kann.)
Steht dahinter (insbesondere bei Politiker*innen) das Bedürfnis nach Machterhalt, oder -erlangung? Oder dem Erhalt von Ansehen, das man befürchtet zu verlieren, wenn man zugeben würde, sich geirrt zu haben? (S. dazu meinen Beitrag „Gesicht zeigen„).
Steht hinter diesen Forderungen die Meinung, wenn etwas staatlich vorgegeben sei, könne man selbstverständlich davon ausgehen, dass es gut und richtig und zum Wohle aller sei – und Menschen, die dagegen sind, damit das „Wohle aller“ gefährdeten und folglich „bekämpft“ werden müssten? Also vielleicht das Bedürfnis, „dem Staat“ und „den Experten“ unbedingt vertrauen zu wollen? Weil alles andere hieße, dass das Gefühl äußerer Sicherheit, an dem man sich bisher immer festgehalten hat, trügerisch war (vgl. meine Beiträge „Diese Welt ist eine sichere, oder?…“ und „Corona und die illusionäre Sehnsucht nach Sicherheit im außen„)?
Oder ist es gar nur ganz profan die Lust an der Abwertung Andersdenkender, weil man sich in der Mehrheit sicher und (moralisch) überlegen fühlt?
Ist es bei manch einem „Experten“ das Interesse, an dem Impfstoff mitzuverdienen? Oder die Sorge vor sozialer Ächtung, wenn man sich gegen die Mehrheitsmeinung stellt?
So ganz deutlich wird das in der öffentlichen Kommunikation nicht. Ich bemerke wenig „Ich-Botschaften„, in denen die Menschen mit der anderen Meinung mir mitteilen, welches Bedürfnis hinter ihrer Haltung steht und welche Gefühle. Das würde mein Verständnis fördern und mir eine echte Kommunikation mit Menschen anderer Ansichten erleichtern. Stattdessen jede Menge „Du-Botschaften“ im Sinne von „Du (also in dem Fall ich … ;-)) bist blöd.“
Auch habe ich wenig den Eindruck, dass MIR und MEINEN Bedürfnissen und Gefühlen offen und unvoreingenommen ZUGEHÖRT wird von den Menschen, die anderer Ansicht sind, als ich. Ganz im Gegenteil scheinen sie meine Motivation gerade nicht hören zu wollen. Warum eigentlich nicht? Weil man die eigene Ansicht unter keinen Umständen hinterfragen möchte? Es scheint so, denn statt Zuhören erlebe ich eher jede Menge klassische „Kommunikationskiller„, die geradezu systematisch angewendet zu werden scheinen:
Gewalttätige Kommunikation
Wer sich schon einmal mit der sogenannten „gewaltfreien Kommunikation“ nach Rosenberg beschäftigt hat, wird darauf gestoßen sein, dass es bestimmte typische Verhaltensweisen gibt, die jede echte Kommunikation nahezu unweigerlich verhindern. Kommunikationskiller.
Dazu gehören „moralische Urteile„. Man gibt dem anderen die Schuld. Bestimmt, wer RECHT hat. Definiert, wie der andere IST. All das kommt mir in der aktuellen Corona-Kommunikation sehr bekannt vor… . Besonders ärgerlich empfinde ich diese Versuche, zu definieren, wie ich bin. Nahezu täglich zu hören, was ich für ein Mensch bin, wenn ich die Corona-Regeln kritisiere. Dass ich Unrecht habe, ist selbstverständlich von vorneherein klar. Und ich habe das gefälligst auch endlich einzusehen.
Ein weiterer Kommunikationskiller sind „Vergleiche„, die oft der Erniedrigung dienen, Verallgemeinerungen verwenden und / oder falsche Maßstäbe verwenden. Auch dies ist verbreitet. Da werden z.B. plötzlich die Corona-Regeln mit der Gurt-Pflicht verglichen, nach dem Motto, wer gegen die Corona-Regeln sei, müsse ja „konsequenterweise“ jede staatliche Vorgabe ablehnen. Oder selbstverständlich auch gegen Hygieneregeln in Krankenhäusern sein. Ziemlich verquer, aber derzeit alles beliebte Vergleiche, die eine echte Kommunikation sofort zunichte machen. Weil unmittelbar deutlich wird, das Gegenüber will nicht wirklich kommunizieren, sondern abwerten.
Auch „Verantwortung weiterzugeben„, indem man die eigene Verantwortung an der Situation leugnet und stattdessen versucht, beim Gegenüber ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, killt die Kommunikation. Das mit dem schlechten Gewissen läuft gerade auf eine Art ab, die ich als besonders perfide empfinde. Nicht nur, dass von Anfang an behauptet wurde, wer keine Maske trage, sei „unsolidarisch“ und gefährde andere. Inzwischen wird das kommunikativ auch noch mehr und mehr gemischt mit den beiden anderen „Killern“, den „moralischen Urteilen“ und den „Vergleichen“, indem wieder und wieder darauf hingewiesen wird, dass auch rechtsradikale Gruppierungen Demonstrationen gegen die Corona-Regeln angemeldet hätten. Offenbar will man damit implizieren, dass alle Kritiker*innen der Corona-Regeln eine Nähe zum Rechtsradikalismus hätten. Und damit an sich schon indiskutabel sind bzw. ein äußerst schlechtes Gewissen haben sollten, wenn sie sich nicht als rechtsradikal sehen, aber trotzdem ihre Meinung vertreten wollen. Den etablierten Parteien scheint dabei nicht aufzufallen, dass sie ihren Hafen für alle Corona-Kritiker*innen verweigern. Tatsächlich fühle ich mich in dieser Frage von keiner der etablierten Parteien vertreten. Das bedeutet nicht, dass ich deshalb eine „rechte“ Partei wählen würde. Aber, dass diese Parteien versuchen, hier offensichtlich brachliegendes Wähler*innenpotential für sich zu nutzen, erscheint mir naheliegend. Mit ihrer sehr einseitigen Kommunikation servieren die etablierten Parteien ein gewisses Wähler*innenpotential geradezu auf dem Silbertablett an „rechte Parteien“. Und kommen dabei aber ganz offensichtlich nicht auf den Gedanken, dass sie für entsprechende Wahlergebnisse eine gewisse eigene Verantwortung haben könnten.
Was genau verspricht man sich denn eigentlich von dieser doch sehr gewalttätigen Kommunikation in Sachen Corona? Gewaltfreie Kommunikation ist nicht einfach. Aber muss die Kommunikation hier wirklich derart gewalttätig sein – und vor „Killern“ nur so strotzen? Das ganze Thema wird doch damit immer schwieriger, und die Gefahr, dass wirklich Gewaltbereite Leute aufspringen, die mit Freiheitsrechten und bunter Vielfalt an sich wenig am Hut haben, immer größer.
Jetzt hat man in Berlin auch noch das Mittel der absoluten Nicht-Kommunikation gewählt: Demonstrationsverbot für die für diesen Samstag angemeldeten Demos gegen die Corona-Regeln. So etwas ist politisch selten klug. Kommunikativ sendet es ein aus meiner Sicht verheerendes Signal: Nicht nur: „Wir wollen Euch nicht zuhören.“ Sondern auch noch: „Wir wollen, dass Ihr Eure Meinung möglichst gar nicht erst ausdrücken könnt.“
Es sind doch dieselben Politiker*innen und Medienleute, die in vielen anderen Kontexten vor gewalttätiger Kommunikation warnen. Warum sind diese Menschen dann selber so oft so schlechtes Vorbild??? Und scheinen das nicht einmal zu bemerken?
Liebe Politiker*innen, liebe Medienvertreter*innen, bevor Sie sich das nächste Mal über Mobbing auf Schulhöfen beklagen, habe ich einen großen Wunsch an Sie: Bitte stellen Sie sich einmal die Frage, ob Sie sich eigentlich als „Vorbild“ in der Gesellschaft sehen. Falls ja, bitte versuchen Sie einmal so unvoreingenommen, wie es Ihnen möglich ist, „in den Spiegel zu schauen“ und sich ganz ehrlich zu fragen, welches (Vor-)Bild Sie in Sachen „Kommunikation“ abgeben (wollen)!
Und bitte, liebe Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen bleibt friedlich! Kommuniziert gewaltfrei!
Du sprichst mir aus der Seele…ich wünsche mir Menschen, die in anderen auch Menschen sehen mit Ängsten, Schwächen und dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Austausch, Verständnis und Akzeptanz…und sich auf gleicher Ebene begegnen…
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Danke für diesen schönen Kommentar! 🙂
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Ach wie gut das tut, da gab es keinen einzigen Punkt, in Deinen letzten Beiträgen, den ich nicht total befürworten würden!!! Ich danke für jeden Lemming weniger!
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Vielen Dank!!! Ich freue mich!
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