„Es ist wichtig, dass die Leute Angst haben!“ Geht´s noch?!

Künstlerin: Dörte Müller

Eine Psychologin wurde befragt. Zur Frage der Maskenpflicht, ob das nicht Menschen auch Angst mache. Ja, das mache Angst. Das sei ja auch ein wichtiger Grund für diese Maskenpflicht, „es ist wichtig, dass die Leute Angst haben!“ Wichtig, dass die Leute Angst haben??? Und das von einer Psychologin?! Ich hing fast unter der Decke vor Wut. Als Psychologin sollte sie doch wissen, was Angst mit Menschen macht! Und aus Menschen machen kann!

Und dann kam von ihr auch noch das tolle Argument mit der Evolution. Wir Menschen wären ja längst ausgestorben, wenn wir keine Angst hätten. Dann wären bereits in der Steinzeit alle Menschen vom Säbelzahntiger gefressen und damit ausgerottet worden.

Diese Säbelzahntigerstory wird gerade von Psychologen erstaunlich oft bemüht. Ich hätte mir gedacht, dass Psychologen eigentlich klar sein sollte, dass zwischen Angst, und der Fähigkeit, ein Risiko richtig einschätzen zu können, ein himmelweiter Unterschied besteht. Und ich glaube, die Frau war auch noch in der Lehre tätig. Himmelnochmal macht mich das wütend… . Denn jede Person, die schon mal Angst hatte, oder sich näher damit beschäftigt, weiß, dass Angst vor abstrakten Gefahren genau diese Fähigkeit blockiert. Die Fähigkeit, das Risiko einer abstrakten Gefahr realistisch einzuschätzen. Genau das ist das Wesen der Angst. Sie überhöht das Risiko dramatisch. [Angst vor einer konkreten Gefahr (also wenn der Säbelzahntiger mir direkt gegenüber steht und mich angreift) ist natürlich anders zu bewerten. Da überhöht Angst das Risiko nicht, sie erhöht aber auch nicht unbedingt die Überlebenschancen. Sehr komplex sind Ängste aufgrund erlittener Traumatisierungen, die ich aber hier nicht thematisieren möchte.]

Ich stelle mir vor, in den Steinzeithöhlen wären Fernseher gelaufen. In denen jeden Tag berichtet würde, dass da draußen gefährliche Säbelzahntiger ihr Unwesen trieben, die hinter jedem Busch lauern könnten, nur darauf aus, den nächsten unvorsichtigen Menschen anzufallen, der den Fehler gemacht habe, das Ganze nicht „ernst genug zu nehmen“. Diese Berichte sind unterlegt mit Bildern von zerfleischten Menschen, die ebenfalls jeden Abend wieder gezeigt werden. Gewürzt mit ein bis zwei Interviews (mit Bildern) mit Menschen, die dem Säbelzahntiger gerade noch schwer verletzt entkommen konnten. Was wäre wohl passiert? Genau! Die Steinzeitmenschen hätten Angst bekommen vor diesem Säbelzahntiger, der hinter jedem Busch stecken könnte, panische Angst.

Und nein, sie hätten die Evolution nicht voran getrieben. Sie wären in ihren Höhlen verhungert.

Vielleicht wäre der ein oder andere Mensch auch noch vorher an Herz-/ Kreislauferkrankungen gestorben. Psycholog*innen dürfte bekannt sein, dass Angst auch zu körperlichen Veränderungen führt. Dauerhafte Ausschüttungen von Stresshormonen tun dem Körper bekanntermaßen absolut nicht gut. Gerade in den Industrienationen haben wir damit ohnehin ein Problem. Dauerhafter erhöhter Stress gilt als einer der Hauptrisikofaktoren für viele Erkrankungen. Für das Jahr 2018 gibt das Statistische Bundesamt an, dass in Deutschland rund 345.300 Menschen an Herz-/ Kreislauferkrankungen gestorben seien. Wie bereits in den Vorjahren ist das die häufigste Todesart in Deutschland. 230.000 seien an Krebs gestorben und 71.700 an Erkrankungen des Atmungssystems (ja, es gab schon vor COVID-19 Erkrankungen des Atmungssystems, die gar nicht so selten waren und auch nicht wirklich harmloser). Insgesamt verstarben 954.874 Menschen in 2018.

An Angststörungen leidet laut Statistischem Bundesland gut jede vierte Person mindestens einmal im Leben. Das sind in Deutschland rund 20 Millionen Menschen! Und eine Angststörung ist nicht einfach nur eine „Störung“, sondern etwas, was die Betroffenen komplett aus ihrem Leben werfen kann.

Angst ist eine Emotion, für die Menschen sehr anfällig sind, die sehr ansteckend ist, und die verheerende Auswirkungen haben kann. Für den einzelnen betroffenen Menschen und auch für das Miteinander der Menschen.

„Es ist gut, dass die Menschen Angst haben“ – vor COVID-19. Geht`s noch, Frau Psychologin?! Sie sagen damit implizit, dass Sie es sinnvoll finden, Menschen über Angst machen zu einem Verhalten zu „erziehen“, von dem Sie meinen, dass es ein wünschenswertes Verhalten sei. Gruselig!

Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, ob die Dame danach auch noch irgendetwas gesagt hat, was vielleicht bei mir auf Verständnis gestoßen wäre. Ich war nach diesem Eingangsstatement so angefressen, dass ich den Fernseher wutentbrannt ausgeschaltet habe … .

Veröffentlicht von lachmitmaren

Stimme der Göttin. Schon lange fast nur noch ernst. Manchmal sehr wütend, manchmal sehr verzweifelt. Oft traurig. Und nur noch sehr selten verspielt und albern. Gute Zuhörerin. Einfühlsame Leserin. Vielseitig interessiert. Meine Texte sind immer tiefgründig. Sie sind kritisch gegenüber "Vorgaben" "von Oben" und sie hinterfragen ursachenorientiert. Meine Berufung ist Heilung. Ich bin Volljuristin, staatlich geprüfte Heilpraktikerin, zertifizierte Lachyoga-Leiterin - Und Rheumatikerin seit über 30 Jahren.

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12 Kommentare

  1. Sehr schön! Ja Psychologen… na ja, es gibt solche und solche – ein paar gute sind dabei – muss man halt gut suchen…. UND es sind halt auch nur Menschen…. und haben scheinbar auch Angst und sind manipulierbar.
    Ich fragte mich heute, dass es doch komisch ist, wo es jetzt immer mehr Infizierte gibt OBWOHL jetzt fast alle Masken tragen – vielleicht liegt es ja an den feuchten Klima hinter den Masken und CO2 einatmen und der Angstmache…

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    1. Ich halte ja auch viel von Psychologie, aber die Dame, die da interviewt wurde, war nicht meins .. Im Herbst/ Winter gehen die Zahlen von Infektionen mit Viren ja immer nach oben. Bisher zeigt sich aus meiner Sicht nicht, dass die staatlichen Maßnahmen größere Effekte gehabt hätten. In den Ländern mit den höchsten Infektionszahlen waren die Maßnahmen ja nicht unbedingt weniger strikt. Ich denke auch, dass Einiges sogar eher schadet als nützt. Aber das ist natürlich Ansichtssache.

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  2. Unsere Sprache ist so spezialisiert und wir haben für so viele Dinge ein dediziertes Wort, dass ich wahrlich begeistert bin ob der Ausdrucksfähigkeit mancher meiner Mitmenschen… die Person in besagtem TV-Format gehörte wohl eher nicht dazu… leider…
    Bestärkt mich einmal mehr darin, dass ich nichts verpasse, seit ich keinen Fernseher mehr besitze.
    Das Thema ist aber tatsächlich nicht ganz einfach zu fassen… Erfahrungsgemäß haben Menschen – speziell wenn es um das Thema Gesundheit/Krankheit/Tod geht – wenig Platz für rationale Überlegungen und handeln oftmals eher affektiv. Für mich sehr schön sichtbar bei den Hamsterkäufen von Klopapier und Konsorten während der Corona-Krise… das hat wenig mit Ratio zu tun… mehr mit Emotionen, die dann das Ruder übernehmen. Von daher ist es schon nicht völlig falsch an eben jene zu appellieren… gleichwohl gebe ich Recht, dass es idealer Weise anders aussehen sollte… nur leider können wir es uns nicht aussuchen, ob die breite Masse nun rational ist oder nicht. Was wir uns aber aussuchen können ist uns mit derartigen Dingen im TV auseinander zu setzen oder nicht… ich habe mich für Letzteres entschieden… und bin sehr glücklich mit meiner Wahl 🙂
    Ich glaube ich habe diesen Beitrag schonmal hier verlinkt, aber er passt ganz gut zu dem Thema Ratio vs Emotio: https://theflowide.wordpress.com/2020/08/13/ueber-die-schwierigkeit-von-glaubenssaetzen/#more-73

    Liebe Grüße aus dem Studienzimmer 😊

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    1. Ohne Fernseher auszukommen ist sicher eine kluge Entscheidung! Ich habe immer das Gefühl, einen gewissen Informationsgrad zu brauchen und sehe mir deshalb die regionalen und überregionalen Nachrichten recht regelmäßig an, frage mich aber auch manchmal, warum eigentlich… .
      Das mit dem Klopapier ist psychologisch irgendwie interessant. Mir persönlich scheint es ja auch ein Zeichen unserer Überflussgesellschaft. Was soll man heutzutage noch hamstern, wenn nicht Klopapier…😉. Früher wären das vielleicht eher Zigaretten gewesen, die die Leute gebunkert hätten, aber heute rauchen vielleicht nicht mehr genug Menschen 😃😉. Tja, was Menschen so tun oder nicht tun, weshalb sie irgendetwas glauben oder nicht glauben, ist schon spannend. Und leider auch sehr manipulierbar. Das ist etwas, was mich an diesen Coronamassnahmen auch erschreckt: Es gibt wenig Evidenz für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit. Aber extrem viele Behauptungen und Beschimpfungen von beiden Seiten. Klar hat das alles mit Emotionen zu tun. Wir Menschen reagieren eben auf Emotionen und nicht auf Argumente. Deshalb ärgert es mich auch, wenn ausgerechnet Psychologen es begrüßen, wenn die Angst auch noch ständig getriggert wird.
      Viele Grüße zurück und gutes Weiterstudieren!

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  3. Ich selber studiere auch Psychologie. Beim Thema Angst ist es wichtig das Maß richtig zu setzen. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei der Aussage der Psychologin wichtige Stellen herausgeschnitten worden sind. Sonst ist ihre Aussage durchaus seltsam. Angst ist nicht nur schlecht. Angst erfüllt als Gefühl eine wichtige Funktion. Es kommt nur auf die richtige Menge an.
    Zum Beispiel ist es gut, wenn man Angst vor Zecken hat. Sie tragen Krankheiten mit sich und stellen deswegen eine Gefahr da. Aber wenn man nicht mehr rausgehen will, weil man zu viel Angst vor ihnen hat, dann ist diese Angst nicht mehr gut für den Menschen.
    Vielleicht wollte sie sagen „es ist gut vor Zecken Angst zu haben. Dann haben die Medien gut aufgeklärt, weil sie tragen gefährliche Krankheiten mit sich.“ Anschließend hat sie dann vielleicht genauer erklärt, was sie meinte und dieser Teil ist möglicherweise weggefallen. „Aber die Angst darf uns nicht überwältigen. Viele Menschen werden jährlich von Zecken gebissen und kommen ohne langfristige Schäden davon.“ Ich habe mal Corona durch Zecken ausgetauscht.

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    1. Anschließend kann erwähnt werden, dass eine Atmosphäre der Verantwortung und der Vorsicht erzeugt werden sollte und nicht eine Atmosphäre der Angst, weil sonst passiert das, was du in deinem Text schilderst. Eine Atmosphäre der Angst lähmt den Menschen und schadet ihm.

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      1. Vielen Dank für deine Kommentare! Ich weiß, dass es so gelehrt wird, bin aber selbst nicht der Meinung, dass „Angst als Gefühl eine wichtige Funktion hat“. Risiken abschätzen zu können, ist wichtig. Angst finde ich immer problematisch, insbesondere, weil Angst aus meiner Sicht gerade nicht „dosierbar“ ist. Schon gar nicht kognitiv. Auch halte ich nichts davon eine „Atmosphäre der Vorsicht erzeugen zu wollen“. Eine Atmosphäre der Liebe und Freude finde ich gut. Alles andere problematisch, erst recht, wenn jemand diese – für andere – erzeugen will, nach dem Motto: „Ich weiß, was gut für dich und alle anderen ist“.

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