
Herrlich, dieses tiefblaue klare und kühle Wasser! Mia und Max konnten gar nicht genug davon bekommen. Und Peter und Katja, ihre Eltern, auch nicht. Urlaub!!! Juchhuu!
Natürlich waren sie nicht gerade die einzigen hier. Das Feriendorf war ausgebucht. Wie immer. Und wie immer hatten sie bereits bei ihrem letzten Urlaub im Vorjahr gebucht. Es wurde jedes Jahr teurer, aber was sollte man machen?
Ein einziges Mal hatten sie nicht gebucht, aus Protest gegen die ständigen saftigen Preiserhöhungen, die insbesondere Katja wie Willkür vorgekommen waren.
Es hatte sich als klassisches Eigentor erwiesen. Alle übrigen Locations irgendwo am Wasser waren längst an die dortigen Stammgäste vergeben. Beinahe wären sie ihre Wasserurlaubsmöglichkeit für immer los geworden. „Weg gegangen, Platz vergangen“ hatte der Eigentümer „ihres“ Ferien-Tiny-House zunächst gelacht.
Schließlich boten sie ihm das Doppelte des vorherigen Preises und waren wieder im Geschäft.
Die Beinahe-Katastrophe hatte zu einem leichten Wetterleuchten in der bis dahin sehr harmonischen Beziehung von Katja und Peter geführt. Er hatte ihr vorgeworfen, dass sie nur wegen ihrer dämlichen Prinzipienreiterei damals nicht gebucht hatten. Nur, weil sie unbedingt „ein Zeichen“ setzen wollte. Als ob irgend jemanden solch ein „Zeichen“ interessieren würde. Und was war das Ergebnis?! Sie zahlten doppelt! Er hätte damals vor Wut mit der alten Fliegenklatsche alles niedermetzeln können, was ihm in den Weg kam. Für einen überzeugten Veganer war das ein starkes Statement … .
Zum Glück verdienten sie beide gut und konnten es sich leisten. Ärgerlich war es trotzdem gewesen.
Aber jetzt waren sie wieder hier. In diesem kleinen Paradies. Und alles war gut. Sie waren gleich nach ihrer Ankunft ins Wasser gelaufen. Das herrlich erfrischende Wasser weckte sofort alle Lebensgeister. Das Gejauchze und Gejuchze all der Kinder und Erwachsenen, die mit ihnen hier waren, wirkte auf Peter wie das ersehnte Konzert des Sommers. Des Urlaubs! Angekommen! Hier konnte er so richtig ins Hier und Jetzt versinken.
Peter fühlte sich rundum wohl hier. All die anderen Gäste waren längst gute Freunde. Man traf sich ja jedes Jahr hier. Es waren hauptsächlich Anwälte, Ärzte, Steuerberater, Unternehmer. Die Mittelreich-Kaste, wie sie sich scherzhaft nannten. Man verstand sich, man sprach dieselbe Sprache. Nicht zwingend linguistisch dieselbe Sprache, aber inhaltlich. Nur Katja tanzte manchmal mit ihren Ansichten etwas aus der Reihe. Aber wenn er ehrlich war, liebte er genau das an ihr. Es brachte dieses Hauch Individualität, der sie beide zu etwas Besonderem machte in ihrer „Kaste“. Was er durchaus genoss.
Langsam wurde es Abend. Wie immer blieben alle Gäste noch lange abends draußen, sahen dem sanften Leuchten der Glühwürmchen zu, so lange es währte (welch ein Luxus), tauschten Neuigkeiten aus und unterhielten sich bis spät in die Nacht. Katja pflegte es etwas spöttisch „Schaulaufen“ zu nennen, weil jeder sich immer im besten Lichte darstellen wollte. Aber was war daran verkehrt? Schließlich waren sie Anwälte.
Für morgen Abend war in dem Feriendorf etwas ganz Neues angekündigt. Der Vermieter der Grundstücksfläche (der der „Sehrreich-Kaste“ angehörte) machte mit seinem Urgroßvater einen Kurzbesuch in seiner Anlage. Der alte Mann war schon über 100 Jahre alt. Und morgen Abend würde er im Gemeinschaftshaus der Anlage ein wenig von früher erzählen.
Peter war sehr gespannt darauf. Max und Mia waren kluge und aufgeweckte Kinder. Klar, schließlich waren es seine und Katjas Kinder … . Und er freute sich darauf, dass sie sicher einige gute Fragen stellen würden bei dem Vortrag. Die Intelligenz und die Leistungen der eigenen Kinder war immer ein wichtiges Gesprächsthema im Urlaub. Kinder sind schließlich die beste Visitenkarte der Eltern, fanden sie alle hier.
Der Vortrag wurde allerdings ein wenig enttäuschend. Der alte Herr erzählte ihnen, dass das herrliche Wasser, in dem sie badeten – und das sie liebevoll ihr „Sommerloch“ zu nennen pflegten, vor etlichen Jahren mal ein Gletscher gewesen sei. Similaumgletscher habe er geheißen.
„Was ist ein Gletscher?“ hatte ein Kind gefragt.
„Eis“ hatte er geantwortet. „Gefrorenes Wasser. Fest. Man konnte auf diesem Wasser laufen.“
„Wasserläufer?!“ hatte Max gefragt.
„So könnte man es nennen.“
Niemand der Anwesenden hatte verstanden, was er damit genau meinte: Eis, gefrorenes Wasser.
Danach hatte er noch erzählt, im Winter hätte es hier Schnee gegeben, keinen Regen. Was „Schnee“ sein sollte, konnte er dann aber auch nicht erklären, und hatte irgendetwas Komisches von „Kristallen“ erzählt.
Es wurde immer absurder. Peter bereute schon, seine Kinder mitgenommen zu haben zu dem Vortrag. Nicht, dass sie irgendwelche komischen Vorstellungen über diese Welt bekamen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten.
Aber dann hatte Max noch gefragt, ob es denn damals schöner hier gewesen sei. Und Peter war stolz auf diese kluge Frage.
Der alte Mann hatte geantwortet, das wisse er nicht, da habe er ja auch noch nicht gelebt. Aber es sei wohl sehr steinig gewesen hier damals. Geröll und Eis. Nicht viel mehr. Eigentlich sei es vielleicht jetzt viel schöner, wo hier alles Grün ist. „Wie eine Art Dachbegrünung“ hatte er gelacht. „So hat vielleicht alles sein Gutes. Wer weiß?“
Als sie auf dem Rückweg zu ihrem Tiny-Ferienhouse waren, waren die Glühwürmchen längst aus. Katja hielt diese kleinen Würmchenlampen ohnehin für überflüssigen Luxus. Strom war nun einmal ein verdammt knappes Gut.
Sie hatten das Potential, das für sie darin lag, früh erkannt damals, Katja und er, – und sich als Anwälte auf Zuteilungsrecht spezialisiert. Die Regeln für die Zuteilung des knappen Stroms wurden ständig geändert. Zum Glück für sie.
So gab es sehr viele Rechtsstreitigkeiten um die Stromzuteilung, und sie beide hatten gut zu tun. Es lohnte sich, den richtigen Riecher zu haben, dachte er. Die Leute, die damals noch in der Generation seiner Großeltern auf die Digitalbranche gesetzt hatten, hatten viel verloren, als das mit dem Strom nicht mehr funktionierte. Sie hatten gefordert, wieder Öl zu verstromen, so, wie einige Länder das wohl ganz früher gemacht hatten. Schließlich gebe es davon angeblich genug. Aber sie hatten sich nicht durchsetzen können.
Na ja, aber das Öl verhalf Menschen wie Katja und ihm wenigstens zu einer gewissen Mobilität.
Mia war in Gedanken versunken. „Dieses Eis und Schnee. Darüber habe ich aber auch schon in einigen Büchern gelesen. Ich habe nie verstanden, was das ist. Aber da stand das auch so, als hätte es das mal in echt gegeben.“
Seine Mia, dachte Peter stolz. Ein echter Bücherwurm.
„Ja, Schatz, es gibt den Mythos, dass es früher mal so etwas gegeben habe, eine feste Phase des Wasser. Aber das ist natürlich Unsinn. Wasser ist flüssig oder gasförmig. Das sieht man schließlich. Schau, der Mann war sehr alt. In dem Alter sind viele Menschen etwas verwirrt, und dann halten manche etwas für wahr, was eigentlich ein Phantasieprodukt ist. Das darfst du nicht so ernst nehmen.“
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Mit Dank an Christiane, die uns sogar in der Sommerpause Kreativitätsanregungen gibt :-). Die Regeln zum Intermezzo sind hier 7 aus 12 | Etüdensommerpausenintermezzo II-2021 | Irgendwas ist immer (wordpress.com) zu finden.
Meine Geschichte enthält alle 12 Wörter, erhebt aber nicht den Anspruch, an einer möglichen Realität abgeglichen werden zu können … 😎.
Das ist eine spannende Idee mit dem See (?), der mal ein Gletscher war, da kann ich dich verstehen, dass du ein paar Klimmzüge in Kauf genommen hast 🤔😉👍. Ansonsten fühlt sich die Geschichte um so unbehaglicher an, je länger man sie liest: Sehr gut gelöst, gefällt mir sehr, hoffentlich erleben wir das nie … 😉
Nachmittagskaffeegrüße 😁🌤️🌡️☕🍪👍
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Die Geschichte ist natürlich etwas mehr den vorgegebenen Worten geschuldet, als einer möglichen Vorstellung einer zukünftigen Realität…😉😇. Wobei deine Fliegenklatsche eine besondere Herausforderung war 😃. Aber da ich selbst buchstäblich „keiner Fliege etwas zu Leide tun kann „, habe ich sie dann selbstironisch verpackt (was allerdings nur bemerken kann, wer mich kennt… ).😇
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Herrlich … der Einbau des Wasserläufers hat mir am Besten gefallen … 😉 – und daß der Similaungletscher im Grünen liegt und zum Badesee wurde, weil ein paar doofe Grüne noch immer mit einer Sonnen-Blume und 2 Worten die Welt davon abhalten, endlich den Segen der Kernspaltung zu erkennen anstatt uralte Bäume zu verbrennen, finde ich recht phantasievoll und wirklichkeitsnah …
Kein immergleiches 08/15 – Strickmuster, bei der jede Masche perfekt sitzen muß, wie beim Tischtuch für das Klatsch-Kaffeekränzchen, das stets den gleichen Rhythmus tickt – austauschbar bis in Details … ;-!
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Danke für die Komplimente! 🙂 Freue mich!
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Oh, welch ein düsteres Zukunfts-Szenario: Gletscher und Schnee ein „Mythos“ und die Elektrizität knapp. Ist dies vielleicht gar nicht mehr so fern, wenn wir so weitermachen?
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Zu ernst sollte der Text nicht genommen werden, denke ich. Ich habe ja einfach die vorgegebenen Worte benutzt und eine Geschichte drum herum geschrieben – unter reicher Verwendung von „Klischees“ … Es sollte eher Spaß machen! 💕🌈
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Ernst mit Spaß gemischt. In all dem Spaßiges steckt hier ja meistens auch „eine Prise Salz“, und „Salz“ steht für „Wahrheit“. Das schätze ich so an diesen Beitägen. Sie sind wirklich „gut gewürzt“.
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Oh, Dankeschön! Was für ein schönes Kompliment! 💖💕
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😊
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Ein gut gezeichnetes Bild der Zukunft, wenn wir nicht den vernünftigen Dreh schaffen. Und selbst Eismaschinen gibt es dann nicht mehr? Wie soll ich dann meinen Raki trinken????
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Lauwarm, wie sonst … ? 😎😊
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Mit Eis und 2/3 Wasser, so habe ich es in der Türkei gelernt, und dazu rohe grüne Gurken.
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Na dann Prost! 😃
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Mir gefällt sehr, dass man relativ lange braucht um zu begreifen, dass die Geschichte inder Zukunft spielt …
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Dankeschön! Das freut mich! 😊
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