„Wir müssen uns jetzt mal ehrlich machen“

gefertigt von Dörte Müller

Das erste Mal habe ich diesen merkwürdigen Satz vor gut 15 Jahren gehört – von einem Bundestagsabgeordneten. Ich verstand damals gar nicht, was er damit sagen wollte, denn ich dachte bis dahin, Menschen SIND ehrlich – oder unehrlich.

Seitdem ist mir dieser Satz immer wieder begegnet – in der Politik. Und irgendwie passt er da ja auch hin. Machen,… so tun als ob.
Politik ist ein Schauspiel. Ehrlichkeit ist in einem Theaterstück keine passende Kategorie.
Das Publikum entscheidet, ob ihm die Darbietung gefällt. Ein Schauspieler muss nicht ehrlich sein. Die „Kritiker“ (die Medien) spießen erbarmungslos auf, wenn jemand „aus der Rolle“ fällt. Etwas sagt oder tut, was „man“ nicht sagt oder tut. Konstruktive Theaterkritik ist sehr selten.
Das Publikum liebt offenbar leider „Verrisse“.

Ich persönlich fand ja dieses Lachen von Laschet am „falschen“ Ort fast sympathisch. Aus meiner Sicht hat er damit auf eine für einen Politiker erfrischend ehrliche (wenn auch unfreiwillige) Art gezeigt, dass er die ganze Veranstaltung mit dem Bundespräsidenten für eine Farce hielt. Eben ein Schauspiel.
Solche Besuche binden Ressourcen vor Ort, die in Katastrophenfällen eigentlich dringend für die unmittelbare Hilfe gebraucht würden. Die Menschen haben von der Betroffenheitsrhetorik tatsächlich – nichts.
Aber: Seit Schröders Gummistiefelauftritt gelten solche Besuche als „Kümmern“, und wer das unterlässt, als „schlechter Landesvater / -mutter“.
Tatsächlich ist es Wahlkampf und Medienspektakel – und Laschet hat diesen Auftritt „vergeigt“.

In den politischen Schauspielstücken, die seit Jahrzehnten gegeben werden, geht es nicht darum, gute Lösungen anzubieten und zu diskutieren, sondern so wenig Fehler wie möglich zu machen. Denn die Kritiker (Medien) interessieren nur die Fehler, die Skandale. Das lenkt das Publikum effektiv davon ab, dass das Schauspiel nicht besonders viel Inhalt bietet. Nicht besonders viel Inhalt bieten kann, denn die eigentlichen Entscheidungen laufen nicht auf offener Bühne.

So gilt derzeit Scholz als der „beste“ Kanzlerkandidat, weil er angeblich gerade die wenigsten Fehler macht. Ob die „Theater-Kritik“ kurz vor der Wahl noch einmal Neuigkeiten hinsichtlich der Cum-Ex-Geschäfte „entdeckt“ oder ähnliches, bleibt abzuwarten. Viel spricht jedenfalls dafür, dass nicht das Handeln der „Schauspieler“, sondern das Schreiben und Reden der „Kritiker“ entscheidend dafür ist, wem das Publikum im September Beifall klatscht.

Letztens sah ich mir ein „Sommerinterview“ mit Olaf Scholz an.

Und jetzt komme ich zu dem Thema, dass ich eigentlich mit diesem Beitrag beleuchten wollte 😎.
Denn er hat sich in einem Punkt tatsächlich für mich überraschend „ehrlich gemacht“:

Wir bräuchten den Ausbau der Windkraft (wenn ich mich recht erinnere um das Doppelte?) schon alleine für unsere chemische Industrie. Diese wiederum bräuchten wir, um Arbeitsplätze und damit Wohlstand zu sichern.

Mit anderen Worten: Der von den meisten Parteien so vehement propagierte Ausbau der Windkraft dient nicht dem Klimaschutz, sondern „unserer“ Wirtschaftskraft.

Ich würde gerne darüber abstimmen!
Denn für mich heißt Klimaschutz zunächst mal Strom sparen!
Und Umweltschutz heißt Ressourcen sparen!

Strom (und Ressourcen) sparen heißt für mich:
Hinterfragen, wieweit „unsere“ chemische Industrie der Ökologie unseres Planeten und der Ökologie der Menschen dienlich ist. Und sie auf ein dem Planeten und dem Menschen dienliches Maß zurückstutzen. Arbeitsplätze sollten zugunsten der Ökologie entstehen. Nicht zu ihren Lasten.

Strom (und Ressourcen) sparen heißt für mich:
Keine Förderung von E-Mobilität. Kein völlig unreflektiertes Ausrangieren von Benzinern und Dieselautos zugunsten ressourcen- (und stromfressendem) millionenfachen Neubau von E-Autos. Was der Neubau von Fabrikanlagen und von den Fahrzeugen selbst an Ressourcen und Strom verschlingt, ist in die Bilanz selbstverständlich einzubeziehen. Was die vorzeitige Verschrottung an Müll schafft und an Ressourcen verschlingt, ebenfalls.

Strom (und Ressourcen) sparen heißt für mich:
Keine Digitalisierung unserer Schulen. Stattdessen mehr Unterricht in der Natur.

Strom (und Ressourcen) sparen heißt für mich:
Keine immer weiter fortschreitende „Durchdigitalisierung“ unseres gesamten Lebens. Abschied von „Industrie 4.0“!

Ehrlichkeit heißt für mich:
Die Diskussion zum Klimaschutz nicht völlig blind auf CO2 zu verengen.

Ehrlichkeit heißt für mich:
Klimaanpassung betreiben. Also grüne Städte (Dachbegrünung als Standard, Fassadenbegrünung, wo möglich, Absenken von Bürgersteigen und Grünstreifen, in denen Regenwasser abfließen kann usw.). Flächenversiegelung deutlich zurückfahren. Mehr Wälder stehen lassen. Flussbegradigungen rückgängig machen, mehr Auen zulassen.
Die möglichen Maßnahmen sind lange bekannt. Die Umsetzung sehr viel weniger invasiv und belastend, als das, was wir die letzten zwei Jahre weltweit erlebt haben. Es gibt nur keine Großindustrie, die sich daran eine goldene Nase verdienen könnte… .

Ehrlichkeit heißt für mich:
Die Diskussion zuzulassen, wie viel und welche Industrie wir wirklich brauchen.

Ehrlichkeit hieße für mich:
Den Menschen, die guten Glaubens für „die Energiewende“ demonstrieren, zu erklären, dass es dabei um ein Wirtschaftsförderprogramm geht – und NICHT um Klimaschutz. Und schon gar nicht um Umweltschutz!

Zur Ehrlichkeit gehört allerdings auch, dass es nicht die deutschen Abgeordneten sind, die die Regie in diesem Theaterstück führen.

Aber ausbleibender Beifall der weltweiten Zuschauer ist auch für die „Regie“ nicht ganz unbedeutend. Und vielleicht bieten ja Parteien wie „die Basis“ tatsächlich auch Ansätze, die es ermöglichen, in Zukunft ein Theaterstück zu erleben, in dem das Publikum mit Regie führt.
Ein konstruktives Stück, in dem es nicht darum geht, um jeden Preis verbale (oder sonstige) Fehler zu vermeiden, sondern Lösungen zu suchen, die der Menschheit und dem Planeten dienen. Und nicht bestimmten Wirtschaftszweigen.
Da würde ich Beifall klatschen…. .

Veröffentlicht von lachmitmaren

Ich bin voller Lebensfreude. Manchmal albern, manchmal ernst. Gute Zuhörerin. Vielseitig interessiert. Ich bin kritisch und hinterfrage die Dinge. Bin Volljuristin, staatlich geprüfte Heilpraktikerin, zertifizierte Lachyoga-Leiterin - Und Rheumatikerin seit über 30 Jahren.

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28 Kommentare

  1. Hörst Du mich klatschen?
    Klatsch-klatsch-klatsch-klatsch …. bevor ich mich vertippe, setze ich für die Fortsetzung die 3 Pünktchen *lach*
    Deiner Ansicht stimme ich – wieder einmal – vollkommen zu. Manchmal denke ich schon, Du liest meine Gedanken. Aber so weit will ich nicht gehen. Eher ist es wohl so, dass unser Menschenverstand wach, aufmerksam UND gesund sowie auf wohltuende Weise auch kritisch genug ist, zu reflektieren und zu differenzieren.
    dieBasis – sehe ich auch so! Bin ich dabei!
    In diesem Sinne wünsche ich Dir schon jetzt ein schönes Wochenende.
    Herzliche Grüße
    Wilma

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  2. Du triffst mal wieder ins Schwarze, liebe Maren. Satz für Satz. Wie kommt es nur, dass du genau das schreibst, was ich auch denke? Ist es so offensichtlich für jeden, der ein bisschen nachdenkt und sich nicht von Theatereffekten ablenken lässt?

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  3. Schade finde ich, dass „Die Basis“ in der Öffentlichkeit kaum präsent ist. Ich habe noch kein einziges Wahlplakat von ihnen gesehen. Wahrscheinlich ist dies dem Kostenfaktor zu verdanken. Für mich sind sie auch die einzige wählbare Partei. Wie sie sich dann bei Erfolg weiterentwickeln werden steht natürlich in den Sternen. Erstmal drücke ich ihnen aber den Daumen. Bei der Sachsen-Landtagswahl hat mein Daumendrücken allerdings leider wenig genutzt…

    Gefällt 2 Personen

  4. Sehr guter Beitrag – hast mir mal wieder total aus dem Herzen gesprochen…. Schauspiel ja…. und nebenbei bemerkt: Ich dachte auch mal Menschen währen ehrlich oder grundsätzlich gut (dass sie im Grunde nur verstört sind, wenn sie es nicht sind) – so war es jedenfalls ehe ich hinter die Masken der C-Diktatur schauen konnte. Heute sehe ich diese Menschenverachtung und wirklich infame Böswilligkeit, die über Leichen geht. Heutzutage musste ich meine rosarote Brille gründlich absetzen.

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    1. Danke dir für deine Zustimmung, freue mich! 💕Ich weigere mich allerdings, meine rosarote Brille abzusetzen 😉…. , Menschenverachtung und infame Böswilligkeit will ich daher niemandem unterstellen. Die deutsche Politik ist hier aus meiner Sicht ohnehin nicht die treibende Kraft, sondern eher eine getriebene.
      Vieles liegt einfach an der Globalisierung und unserer vermeintlichen Abhängigkeit von dem bestehenden Wirtschafts- und Finanzsystem, glaube ich. Die Macht der Finanzkonzerne … . Für Konzerne sind Menschen letztendlich Kennziffern. Und ich glaube, hierin liegt das Problem (und das, was du als „Menschenverachtung“ wahrnimmst).
      Und natürlich darin, dass noch zu wenig Menschen die Phantasie haben, sich ein ganz anderes Wirtschafts-, Finanz-, Bildungs- und Gesundheitssystem vorstellen zu können… . Aber ich hoffe ja, dass das, was derzeit alles so geschieht, diese Phantasie eher beflügeln wird … .😇.
      Herzliche Grüße 💕💝💕💖

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  5. So weit wiedermals bestens durchleuchtet, liebe Maren,

    doch erlaube den kleinen Wermutstropfen in Kombination mit der Frage:
    Sind die Medien frei in ihrer Berichterstattung?
    oder sind sie gar fester Bestandteil des Theaterstücks?

    Einem Schein.Werfer gleich leuchten sie die Bühne auf Kommando/Stichwort aus,
    zumindest den Teil, wo laut Drehbuch gerade das „Licht“ hin soll.
    Andere Bereiche der Bühne bleiben bewußt im Dunkel, im Schummerlicht,
    auf daß der Betrachter, nicht sehen oder erkennen kann … noch nicht!

    Eben bis zum nächsten Stichwort …

    Alles Liebe,
    Raphael.

    Gefällt 1 Person

  6. @ „Keine Digitalisierung unserer Schulen. Stattdessen mehr Unterricht in der Natur.“

    Warum nicht zeitgemäße Ausstattung der Schulen
    UND mehr Unterricht draußen in der frischen Luft
    – soweit das Wetter mitspielt?

    Gefällt 1 Person

    1. Was ist denn „zeitgemäß“ – und warum? Mir ging es ja um Strom und Ressourcen sparen und da halte ich die flächendeckende Digitalisierung der Schulen nicht für das geeignete Mittel. Mehr Unterricht in der Natur würde ich in jedem Fall befürworten.

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  7. @ „Keine immer weiter fortschreitende „Durchdigitalisierung“ unseres gesamten Lebens … Ehrlichkeit heißt für mich…“

    …daß es kein „Zurück ins Agrar-Zeitalter“ gibt.

    Der erste Trecker hat die Hufschmiede verschwinden lassen, Bauknecht machte die Waschfrauen arbeitslos und gegen die Dampflokomotive wurde auch demonstriert. Jetzt ist die „Digitalisierung“ dran…, viele Lebensbereiche gravierend zu verändern.

    Nicht das GEGEN wird momentan gebraucht, sondern die
    konstruktiven Ideen zur Entwicklung eines intelligenten WIE.

    🌻

    @ „ein Theaterstück zu erleben, in dem das Publikum mit Regie führt“

    So wie ich die Dinge sehe, geht es nicht darum, daß jedermann Regie führt, sondern darum, daß sich jede Frau einbringen KANN, wenn sie das möchte. Dazu braucht es die Echte (!) Bürgerbeteiligung: https://nirmalo.wordpress.com/category/buergerbeteiligung/

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    1. Das ist ja gerade die Frage aus meiner Sicht, WAS gebraucht wird … . Aus meiner Sicht keine Industrie 4.0. Kein Internet der Dinge. Kein Smart Home etc. … . (was alles drei auf dasselbe hinausläuft). Keine „Verbesserung“ des Menschen durch KI. Keine digitalen Impfpässe und digitale Kontrolle meines Lebens und meiner Gesundheit. Dabei geht es mir nicht darum, dass wir „zurück ins Agrarzeitalter“ sollten – oder das Internet abschalten sollten, ich benutze es ja ganz offensichtlich selber … 😉.

      Letztlich ist es eine Frage, was für ein Wirtschaftssystem „wir“ wollen. Und inwieweit „wir“ auf Wirtschaftswachstum verzichten können – oder es für unabdingbar halten. Auch ist die Frage, ob (und wie) man Fehlentwicklungen der Globalisierung noch rückgängig machen könnte. Mein persönliches Ideal wären in der Wirtschaft wieder viel mehr kleinteilige Strukturen, starker Mittelstand (mit inhabergeführten Betrieben), kurze Lieferketten etc. . Eine Utopie, ich weiß. Der Zug rollt schon lange in die gegenteilige Richtung. Aber trotzdem gibt es auch diese Gegenbewegungen. Und die Landwirtschaft ist vielleicht einer der Bereiche, wo man die zwei unterschiedlichen Philosophien am stärksten wahrnehmen kann.

      Herzliche Grüße!

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  8. Resaucen und Strom sparen, ist allerdings so wie so eine uralte Mär, liebe Maren. Schon lange gilt im Politikgeschäft, foul is fair and fair is foul, leider. Ja, bin da ganz bei dir, sonst.

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    1. Genau das stört mich daran so, dass es ein Märchen ist.. . Ein Märchen, auf dessen Grundlage den Leuten ständig erzählt wird, dass man ihnen Windkraftanlagen vor das Haus bauen müsse. Zwingend, weil ja der Strom sonst nicht reiche .. . Und sie können dann auch gerne noch einen besonders „energieeffizienten“ Kühlschrank kaufen und ihren alten verschrotten, wenn sie besonders viel „Gutes“ tun wollen….
      Herzliche Grüße an dich! 💞💕

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  9. Die Menschen haben von der Betroffenheitsrhetorik tatsächlich – nichts.
    Du triffst so tief ins Schwarze und ich bewundere Deine Punktgenauigkeit.

    Ehrlich machen hab ich noch nie gehört und eigentlich ist es eine Verdummung des Wortes an sich.
    Sollte es, * so tun als ob * bedeuten?
    Entweder ehrlich oder nicht ehrlich.

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