Der Lehrstuhl

„Meinen Sie wirklich, Herr Kollege, ausgerechnet DEN Mann sollen wir auf den neu eingerichteten Lehrstuhl berufen? Der hat doch irgendwie einen etwas unangenehmen „Schlick“ an sich haften.“

„Schlick? Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“

„Na ja, es gibt da so Veröffentlichungen, ominöse Forschungen … Damals…, Sie wissen schon!“

„Na, da putzen wir eben seinen Lebenslauf etwas, bevor wir den veröffentlichen. Da fragt schon keiner nach.
Der Mann ist exzellent auf seinem Fachgebiet. Den MÜSSEN wir haben.“

„Aber irgendwie scheint mir der ethisch nicht so richtig geeignet. Der unterrichtet doch immerhin dann auch die nächsten Generationen unserer Mediziner!
Da ist mir nicht ganz wohl bei.“

„Herr Kollege, der Mann ist Forscher! Mit Leib und Seele. Schon immer! Natürlich nützt der jede Gelegenheit zur Forschung, die sich ihm bietet. Wollen Sie ihm das verübeln?
Ja gut, das mit den Rassen ist heutzutage nicht mehr so en vogue. Aber es ging ihm um Fragen der Genetik. Das ist DAS Gebiet der Zukunft in der Medizin!
Und kaum jemand kennt sich da so aus, wie er.“

„Aber die Art seiner Forschung …?“

„Die Rahmenbedingungen waren eben gut damals für Forscher. Es war fast alles möglich. Die Regierung hat nichts verboten, ganz im Gegenteil sogar ermuntert. Ein Traum für Forscher. Er hat das genutzt. Das kann man ihm nicht vorwerfen.
Er gehört zu den Menschen mit Visionen!
Genetik, Herr Kollege. Es geht darum, die Menschheit zu verbessern. Das ist letztendlich zum Besten für alle.“

„Aber diese Menschenversuche…!“

„Herr Kollege, wenn Sie die Menschheit als Ganzes weiterbringen wollen, müssen Sie auf dem Weg dorthin Opfer in Kauf nehmen. Das ist nun einmal so.
Und unter uns, es waren ja auch irgendwie, sagen wir mal, verzichtbare Menschen, oder?
Und außerdem, machen Sie keine Tierversuche in Ihrer Forschung?
Finden Sie Tierversuche ethisch?“

***********************************

Inspiriert durch folgenden sehr sehenswerten Uraltsketch von Dieter Hildebrandt und Urban Priol: https://youtu.be/nySO4RnGkBM

Und auch ein wenig durch eine sehr lebendige Diskussion zu meiner vorherigen Etüde … ;-).

Wie immer mit herzlichem Dank an Christiane für ihre liebevolle Betreuung der abc-Etüden!!!! Die Regeln mit der Schreibeinladung für die Textwochen 36.37.21 sind hier zu finden: https://365tageasatzaday.wordpress.com/2021/09/05/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-36-37-21-wortspende-von-ludwig-zeidler/   

Veröffentlicht von lachmitmaren

Ich bin voller Lebensfreude. Manchmal albern, manchmal ernst. Gute Zuhörerin. Vielseitig interessiert. Ich bin kritisch und hinterfrage die Dinge. Bin Volljuristin, staatlich geprüfte Heilpraktikerin, zertifizierte Lachyoga-Leiterin - Und Rheumatikerin seit über 30 Jahren.

Beteilige dich an der Unterhaltung

21 Kommentare

  1. Danke für den Verweis auf Dieter Hildebrandt, den ich überaus (meistens jedenfalls) geschätzt habe.
    Ich halte mich aus Diskussionen dieser Art, wie du sie hier zum Beispiel führst, in der Regel raus, daher sieh es mir bitte nach, dass ich nicht weiter inhaltlich kommentiere.
    Nachmittagskaffeegrüße! 😀

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    1. Das ist vollkommen in Ordnung! Man muss nicht alles kommentieren;-)! Ich habe versucht, die Geschichte vielschichtig anzulegen, denn die sich stellenden Fragen erscheinen mir durchaus nicht so eindeutig zu beantworten,, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag. …
      Herzlichen Nachmittagsteegruß zurück!

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      1. Weißt du, ich fühle mich als „Etüdenhüterin“ eigentlich immer gehalten (also zumindest das), dir als Verfasserin einen Kommentar dazulassen, auch, weil ich weiß, dass ich mich in der umgekehrten Position immer darüber freue, gesehen zu werden.
        Glaubst du, dass das nicht nötig ist? Wäre vielleicht auch mal ein Punkt, den man diskutieren könnte. Hm.
        Danke dir! 😀

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      2. Ich freue mich natürlich auch darüber gesehen zu werden, und weiß deine Mühe sehr zu schätzen!!!
        💞 wenn dir ein Text nun einmal nicht zusagt, … oder du belässt es dann eben einfach bei einem Dank fürs Mitschreiben;-).

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  2. Also, diese Aufzählung von Nazi-Gräueltaten finde ich nicht einmal in Ansätzen witzig. Wie man nachlesen kann, soll der Herr Hildebrandt selbst seit 1944 NSDAP-Mitglied gewesen sein.
    Und ich muss wirklich sehr nachdrücklich darauf hinweisen, dass die von den Nazis „Eugenikforschung“ genannten Verbrechen nicht das mindeste mit der Wissenschaft der Genetik zu tun haben. Gegenstand der Genetik ist auch nicht die „Verbesserung“ der Menschen. Obendrein ist es schon rein vom Alter der Personen her unmöglich, dass jemand, der unter den Nazis geforscht hat, heute noch für einen Lehrstuhl in Frage kommt. Traurig genug ist es, dass alte Nazis auch nach 1945 in der Forschung tätig waren. Als Thema für einen Sketch finde ich das unendlich geschmacklos, genauso wie die Behauptungen mancher „Impfgegner“ sie würden wie die Juden unter Hitler behandelt.

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  3. Mutvoll, hier anzusetzen, liebe Maren, aber auch inicht unwichtig

    * Und unter uns, es waren ja auch irgendwie, sagen wir mal, verzichtbare Menschen, oder? *

    Die Frage ist immer, WER entscheidet und Warum überhaupt.
    KEIN Mensch sollte das Recht haben, irgendeinen anderen Menschn als verzichtbar zu beurteilen, gechweige denn, Versuche mit ihm zu starten.
    Ich finde übrigens auch die meisten Tierversuche falsch, denn, wo gequält wird, bin ich auf der Seite des Schwachen und Gequälten.
    Was Hitler machte, bzw. befürwortete und befahl, es war falsch, unmenschlich und tief unter der Würde eines echten Menschen, aber das wissen wir ja alle und es gibt hoffentlich niemanden, der es heute noch gut findet. Zeit zum Nachdenken hatten wir doch genug oder immer noch nicht???

    Viel zu schnell werden Urteile über Menschen gefällt und wieviel Unrecht ist geschehen. Auf jeden Fall VIEL ZU VIEL.

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    1. Vielen Dank für deinen nachdenklichen Kommentar, liebe Bruni! Gerade habe ich einen weiteren Beitrag veröffentlicht („Grenzenlos“), in dem ich versucht habe, meine Motivation für die Etüde noch einmal näher darzustellen. Denn leider habe ich nicht den Eindruck, dass die Menschheit tatsächlich darüber nachgedacht hat, was damals wirklich geschehen ist, wie es geschehen konnte, was die Motivation der Handelnden gewesen sein könnte.
      Aber nur, wenn man bereit ist, sich diesen Fragen einmal zu stellen, kann man so etwas künftig verhindern, ist meine Meinung. So lange man das damals immer nur als singuläres Ereignis eines „einmaligen Bösens“ ansieht, kann man daraus nicht lernen.
      (Mir liegt das Thema vielleicht auch deshalb besonders am Herzen, weil ich ja selber schwerbehindert bin, also nach der damaligen Ansicht möglicherweise zu den „Verzichtbaren“ gehört hätte… .)
      Herzliche Grüße

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    1. Das ist auch eher kein Text zum „zustimmen“… . Um welche Fragen es mir dabei v.a. ging, habe ich versucht, in meinem Beitrag „grenzenlos“ noch einmal vielleicht deutlicher zu machen.
      Herzliche Grüße (und schön, wieder was von dir zu lesen!)

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