Ich hatte gedacht, wir

würden zusammen alt werden.
Ich hatte gedacht, wir würden füreinander und umeinander kämpfen.
Ich hatte gedacht, uns verbände so etwas wie Liebe.

Viele schöne Jahre hatten wir zusammen. Haben uns viel gegeben. Voneinander gelernt. Füreinander gesorgt. Schöne bunte Erlebnisse geteilt.
Freude gehabt und auch gerne an andere gegeben.
Da war so viel Wärme in unserer Ehe.

Du hast mich gestützt und gehalten.
Du hast mich auf Händen getragen.

Doch:
Ich habe einen Teil meines Feuers dir zuliebe unterdrückt. Denn du hattest Angst vor meinem Feuer. Ich bin dadurch langweiliger geworden über die Jahre – und wohl auch kränker.
Du hast einen Teil deiner Bedürfnisse mir zuliebe unterdrückt. Denn ich mochte sie nicht. Du bist dabei wohl innerlich eingetrocknet über die Jahre.
Es war bequem für uns beide.
Daran zu arbeiten, wäre anstrengend gewesen und unangenehm. Und wir wollten es stets angenehm.
Und es war gut. Denn es war schön.

Dein Abflug jetzt kam sehr plötzlich. Er war ein Schock für mich.

Sie erfülle deine Sehnsucht nach all den Dingen, die mit mir zusammen wegen meiner fortgeschrittenen Erkrankung nicht (mehr) gingen, sagst du. Und auch nach den Dingen, die ich ohnehin nie gemocht hatte. Dein Leben fühle sich endlich wieder kitzelig an. Es klingt wie späte Midlifecrisis, doch es ist mehr.

Von einer Stunde auf die andere gelten deine liebevollen Küsse nun einer anderen.

Mein Herz schmerzt. Ich habe Angst. Be-krakele einen Kürbiskopf mit einem Gesicht. Und stelle mir vor, da wäre ein „Du“ zu meinem „Ich“.

Und doch ist da auch diese kleine Stimme in mir, die sehr laut flüstert:
„Vielleicht ist es genau dieser Herzschmerz, über den er führt: Der – lang ersehnte und heiß von mir erflehte – Weg zurück in meine ureigene Kraft.
Und vielleicht ist genau DAS Liebe!“

Herbst. Zeit des Abschieds.

*****************************************************

Wie immer mit herzlichem Dank an Christiane für ihre liebevolle Betreuung der Etüden, deren aktuelle Einladung hier zu finden ist https://365tageasatzaday.wordpress.com/2021/10/31/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-44-45-21-wortspende-von-wortverdreher/ und an den Wortspender Christian.

Veröffentlicht von lachmitmaren

Ich bin voller Lebensfreude. Manchmal albern, manchmal ernst. Gute Zuhörerin. Vielseitig interessiert. Ich bin kritisch und hinterfrage die Dinge. Bin Volljuristin, staatlich geprüfte Heilpraktikerin, zertifizierte Lachyoga-Leiterin - Und Rheumatikerin seit über 30 Jahren.

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29 Kommentare

  1. Ach Mensch, Maren. Wenn das echt ist, dann tut es mir sehr leid. Und es liest sich so, als ob es echt wäre. Wenn es das nicht ist, dann ist es verdammt gut, denn ich glaube dir jedes Wort.
    Alles Liebe.
    Dunkelnde Frühabendgrüße 😉🧡🌅🍵🍪👍

    Gefällt 4 Personen

    1. Das mit dem Bekrakeln des Kürbis ist nicht echt … . 😉. Obwohl es sich noch sehr schmerzhaft anfühlt, bin ich mir ziemlich sicher, dass es letztlich gut ist. Nur an dornigen Geschenken kann man wachsen … . 😉. (Und wenn ich mir meine Etüden- und sonstigen Texte durchlese, ist klar: Ich will unbedingt wachsen … .)
      Ich habe das hier auch deshalb geschrieben (obwohl es ja eigentlich sehr privat ist), weil ich glaube, dass das, was bei uns passiert ist, sich in der gesamten Gesellschaft in vielerlei Hinsicht gerade stark spiegelt: Man richtet sich bequem ein, verschließt die Augen vor dem, was man nicht sehen und auch nicht wissen möchte. Denn sonst hieße das, dass plötzlich alles infrage gestellt wäre, was man immer sicher geglaubt hat und woran man gehangen hat.
      Wenn man dann mehr oder weniger plötzlich aus der Hängematte fällt, tut es erstmal weh … .
      Herzliche Abendgrüße und danke für deine Anteilnahme!!!

      Gefällt 6 Personen

      1. Hallo Maren, es ist genauso, wie Du schreibst. Es spiegelt sich in der gesamten Gesellschaft wieder. Vieles wird zerbrechen, aber auch viel Neues entstehen. Hab Mut und halte durch. Wo eine Tür zuschlägt, geht eine andere auf. Und der lang ersehnte Weg in deine Ureigene Kraft – wird kommen. Ganz liebe Grüße von mir.

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  2. Eine Etüde, die unglaublich stark ist, Maren. Danke dafür, denn sie antwortet auf mein eigenes Erleben, das sich bis jetzt in der Gestalt zeigt, die du unter „doch“ beschreibst. Aber es wühlt und wühlt. Du hast recht, es ist ein Kriseln nicht nur im Privaten, es ist überall, dies Suchen nach dem Weg, der in jedem einzelnen Menschen, aber auch in er Menschheit als Ganzem eingeschrieben ist und sich im Äußeren dann auch zeigen will und sich manchmal gewaltsam Durchbruch verschafft.

    Gefällt 6 Personen

  3. Liebe Maren,
    seltsam, daß ich beim Lesen sofort spürte, daß Dein Text diesmal nicht fiktiv ist, sondern echt. Christine schrieb ja bereits in ihrem Kommentar „und es liest sich so, als ob es echt wäre.“

    Ich füge Dir nachfolgend ein Gedicht ein, daß ich einst wegen eines tiefen Liebeskummers schrieb. Mich tröstet es immer, wenn ich meinen Schmerz in Poesie verwandeln kann oder wenn ich einen Text lese, der meinem Erleben nahe kommt.

    Der Herzschmerz ist ja auch ein Türöffner für neue andere Herzensrichtungen und Schwerpunkte, und es empfiehlt sich, sich natürlich auch genug Raum und Zeit für das Trauern, Loslassen und Verschmerzen lassen.

    Mit einer buchstäblichen Umarmung von Ulrike

    TRANSPARENZ

    im Dunkel
    meiner Augen
    ist die Trauer tief
    im Leuchten meiner Augen
    ist die Freude
    ein Stern der schon verglüht
    ich muß
    die Sehnsucht lassen
    seltsam vertraut
    umarmt mich der Schmerz
    und singt mit mir
    das Tränenlied
    Herbst kommt
    mit unwiderruflichen
    Schritten
    nimmt mich mit
    und färbt mir
    das entblätterte Herz
    roter als Blut

    Ulrike Sokul ©
    10/ 1998

    Gefällt 3 Personen

  4. berührend… deine Worte haben die Erinnerung an diesen Schmerz geweckt… immer wieder ist er mir begegnet… er brennt wie Feuer… ich lernte, ohne Gedanken mit meinem Atem tief in ihn zu tauchen und begegnete der Freude… und wieder spülte das Leben eine neue Welle in mein Meer… etwas in mir ist abgeklärt… loslassen ist einfach geworden… so kommt es mir vor… ich wünsche dir, dass du wie ein Frühling erblühst in dem, was dich erfüllt mit seelenverwandten Menschen an deiner Seite, die mit dir dein neues Leben feiern…

    Gefällt 4 Personen

    1. Danke, liebe Leela! Ich habe auch das Gefühl. loslassen wird einfacher. Es ist kein Werturteil mehr, sondern „nur“ der Schmerz des Abschieds. Der aber gleichzeitig Neues ermöglicht. Und insofern liegt in diesem Abschiedsschmerz eben auch etwas irgendwie Verheißungsvolles.

      Gefällt 3 Personen

  5. „Es war bequem für uns beide.“

    Ein „Mechanismus“ in Richtung Status Quo und Stillstand.
    Gemeinsam entwickeln und wachsen, auch oder gerade an den kleinen Dingen
    und in aller Offenheit … und einer bedingungslosen Bejahung.

    Hehre Worte – nach denen wir doch alle uns anrichten, nach dem wir sehnen.

    Alles Liebe,
    Raphael.

    Gefällt 1 Person

  6. Ich finde der Text zeigt bereits, welche Kraft in Dir steckt und schon geweckt wurde. Es ist nicht schön, so unsanft in die Kraft „geschubst“ zu werden, aber solche „Abschiede“ sind wohl eher besser kurz und plötzlich als lang und zäh. Ich wünsche Dir viel Kraft auf dem Weg zur Urkraft.

    Gefällt 5 Personen

  7. Ich musste lange runterscrollen – bis ich Dich fand…. Aber Deine Etüde wollte ich auf keinen Fall verpassen – aber sie hat mein Herz schwer gemacht – besonders der Satz, dass Du Dich und Dein Wesen unterdrücken musstest (bzw. glaubtest) Es geht weiter liebe Maren. Und sag mal, hast Du einen Kanal in telegram? dann könnte ich Dir einiges Schöne, Mutmachende zukommen lassen. Hier nochmal mein Kanal: https://t.me/KritischDenkenHerz

    Gefällt 2 Personen

    1. Danke dir. Ich habe deinen Kanal jetzt abonniert … . Nein, ich habe nicht mein Wesen unterdrückt, sondern – wie es wahrscheinlich in sehr vielen Partnerschaften der Fall ist – wir haben uns aneinander angepasst. Und dabei wohl jeweils ein Stück des eigenen „Ichs“ verloren. Ich brauche momentan gar nicht so sehr etwas Mutmachendes (ich habe Mut … 😉💕). Wir waren halt irgendwie ineinander gewachsen, und wenn etwas miteinander Verwachsendes plötzlich auseinandergerissen wird, tut es erstmal weh, auch wenn es für mich sicher besser ist, um mich nochmal zu entfalten. Jetzt ist da natürlich erstmal viel (Abschieds)-Schmerz. Er kommt in Wellen … . Und da ich nichts davon halte, „Wellen brechen zu wollen“ … , lasse ich ihn fließen … .

      Gefällt 3 Personen

      1. Das machst Du gut, man muss da durch – ich weiß, aber dann bleiben später mal keine unguten Reste übrig. Ich freu mich dass Du jetzt auch auf telegram bist. Richte dort einen Kanal ein, dann kann ich mit Dir seperat hin und her austauschen. Das würde mich sehr freuen.

        Gefällt 2 Personen

  8. und fast hätte ich Deine wirklich sehr starke und intensive Etüde verpasst.
    Es ist kaum zu glauben, wie man sich anpassen kann und fliegt dann einer von beiden aus dieser Verbindung, bleibt der mit dem schmerzenden Herzen zurück, auch wenn er/sie weiß, nun kann er/sie tun, was er/sie immer wollte und tat es aus Rücksicht nicht…
    Ohne Schmerz gibt es keine auseinanderbrechenden Verbindungen, leider. ( deshalb passe ich mich an, ich glaube nicht, daß es noch anders ginge )
    Liebe Grüße von Bruni

    Gefällt 1 Person

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