Ostara

Müde rieb sich Ostara die Augen. Sie war gerade erst erwacht. Noch spürte sie den langen harten Winter in ihren Knochen. Ihr Birkenwäldchen war noch vom Eis des Winters nicht erlöst.

Aber das Eis würde tauen. Die Wurzeln der ausgetrockneten Birken sich an dem frischen kühlen Wasser laben, das sie so lange hatten entbehren müssen.

Ostara liebte die Birken. Die Birken und ihre samtweichen Kätzchen. Wie gemacht, um mit ihnen zu schmusen.

Sie wusste, dass der Vater zornig war über ihre unbeschwerte Art, mit den Kätzchen umzugehen.

Seine Strafe hatte wie ein Messer in ihr Herz geschnitten.
Kalt, anklagend und voller Verachtung hatte er mit dem Finger auf seine Tochter gezeigt und sie für unehrenhaft erklärt.
Er verbannte ihren Namen aus seinem Reich und übertrug die Attribute, die einst die ihren gewesen waren, auf seinen geliebten Sohn.

Aber als Ostara dieses Frühjahr erwachte, war etwas anders geworden.
Der Himmel über ihr hatte sich verändert.
Die Last, die so lange wie ein Fels auf ihrer Brust gelegen hatte, war zu Geröll geworden. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses zu Staub zerfallen würde.

In dem Gestein des Felsens waren Giftstoffe eingeschlossen gewesen.
Einige Birken waren eingegangen.
Sie hatten damit geholfen, das Wäldchen zu entgiften. Und hatten so erfüllt, was ihre Seele ihnen aufgetragen hatte.

Auch Ostara hatte einen Auftrag zu erfüllen.

Ihr Auftrag war es, dem Gift die ihm einst gegebene Wirkung wieder zu nehmen. Eine Wirkung, die fälschlicherweise der Schlange angelastet worden war.


War das sperrige alte Geröll, das man mit dem Verbot von Natürlichkeit und unbefangener Unbeschwertheit in ihren Garten gelegt hatte, endlich entfernt, würden die Pflanzen in ihrem Wäldchen wieder erblühen. Der blumige Duft ihres Nektars dort emsiges Treiben bewirken.

Dann wird die Schlange ihre Kraft wieder entfalten können.
Die Kundalini wieder aufsteigen.


Ein Beitrag zu den abc-Etüden, deren aktuelle Einladung hier https://365tageasatzaday.wordpress.com/2022/03/20/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-12-13-22-wortspende-von-ich-lache-mich-gesund/ zu finden ist.

Veröffentlicht von lachmitmaren

Ich bin voller Lebensfreude. Manchmal albern, manchmal ernst. Gute Zuhörerin. Vielseitig interessiert. Ich bin kritisch und hinterfrage die Dinge. Bin Volljuristin, staatlich geprüfte Heilpraktikerin, zertifizierte Lachyoga-Leiterin - Und Rheumatikerin seit über 30 Jahren.

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26 Kommentare

  1. Nicht nur die Menschen sollten Frieden halten, auch die Götter sollten sich besinnen … oder?
    Auf jeden Fall wünsche ich mir ein System in blühendem, harmonischem Gleichgewicht, und fürchte, dass wir weiter davon entfernt sind denn je. Aber nun: Jede*r sollte tun, was er*sie kann …
    Ich liebe Birken. 🌞🧡👍
    Spätnachmittagskaffeegrüße! 🙂 🌤️☕🍪🌼👍

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    1. Das System, um das es mir hier geht, ist den Menschen vor Jahrtausenden auferlegt worden. Es hat die Menschheit in die Wüste geführt, Leid und Trauer erzeugt. Leid, für das dann Eva und die Schlange beschuldigt wurden.

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      1. Zum Beispiel von den Kräften, die für die weltweite Verbreitung uralter Texte und Mythen gesorgt haben, obwohl doch der Buchdruck unseres Verständnisses nach erst vor etwa einem Jahrhundert erfunden worden ist.

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      2. Der Buchdruck wurde vor 500 Jahren erfunden nicht vor hundert. Was diese mysteriösen Kräfte betrifft, habe ich also keine Chance zu erfahren, wer oder was sie sind…

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    1. Aber der Fels ist dabei zu zerfallen. Und die Natur wird heilen, was missbraucht wurde durch die Trennung vom Natürlichen. Die Schlange hat große Kraft. Genau deshalb hat man sie verteufelt. Denn Diktaturen brauchen kraftlose Untertanen.

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  2. Ich habe die Geschichte vom Erwachen von Ostara, der germanischen Botin des erwachenden Frühlings, eben noch einmal in Ruhe gelesen und finde, daß darin doch eine schöne, befreiende Botschaft herüberkommt.
    Ich habe das jetzt nur aus der Sicht von Ostara mitempfunden. Wer da mit dem Vater gemeint sein könnte, darüber machte ich mir keine Gedanken.
    Es geht um das Geröll, das nun nicht mehr drückt, und das Gift, das aus Menschenhirnen stammt und mit dem Gotteswort vermischt wurde, und das waren damals Männer, und zwar Pharisäer und Schriftgelehrte.
    Solchen Drohkulissen nahm der Gottessohn Jesus das Gift und brachte uns einen neuen freien liebevollen friedenstiftenden Geist.

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    1. Vielleicht überbewerten wir Menschen unsere Gehirne. Und vielleicht ist auch nicht alles, was wir für Gotteswort halten einem freien, liebevollen und friedenstiftenden Geist entsprungen.

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