„Ich soll dir einen herzlichen Gruß bestellen, Willi! Von der alten Frau aus dem ärmlichen Haus vom anderen Ende der Straße. Der, die keinen Wetterbericht brauchte. Weil ihre Rückenschmerzen ihr jedes Tief anzeigten.
Weißt du was?! Die war bei einem Guru. Der sagt, die Welt habe furchtbar viele Schmerzen angehäuft. Durch die Gier von Menschen. Menschen, die rücksichtslos Reichtum und Macht auf dem Rücken von Schwächeren erwarben. Mit ihren Rückenschmerzen transformiere sie solche Schadenergien mit ihrem Körper zugunsten aller.“
Willi lachte. Laut und herzhaft.
„Ich soll dir einen herzlichen Gruß bestellen, Willi! Von der alten Frau. Ich habe ihr erzählt von deinem Lachen über diese Transformationsgeschichte.
Und weißt du was?! Sie hat genickt. Sie fände diese Idee inzwischen auch ziemlich dämlich. Warum sie, statt derer, die der Welt Schmerzen verursacht haben? Das hätte wenigstens den Sinn, dass diese spürten, dass sie etwas falsch gemacht haben. So hingegen wären die ihr doch nicht mal dankbar, würden sie eher noch ordentlich auslachen.
Sie wähle jetzt einen anderen Weg. Heute noch gehe ihr Flug in einen Sonnenscheinstaat. Sie werde in einer Gemeinschaft glücklicher Menschen leben mit allem Komfort. Dort würden Meditationen praktiziert, bei denen das Ich sich auflöse in einem Meer von Farben. Farben, die irisieren und leuchten. Schmerzen würden der Vergangenheit angehören.“
Willi fragte sich, woher die Frau sich Komfort leisten konnte. Und er lachte nur verhalten.
Als er am nächsten Morgen mit bohrenden Rückenschmerzen aufwachte, lachte er nicht.
Als man ihm sagte, mit diesem Schmerz würde er jetzt leben müssen, lachte er nicht.
Als er sein Bankschließfach öffnete, dessen Existenz er allen verheimlicht hatte, da er zu dem Inhalt auf wenig vorbildhaftem Weg gelangt war, weinte er.
Es war leer.
Leer bis auf einen kleinen Zettel.
Mit einem herzlichen Gruß von der Frau vom anderen Ende der Straße.
Ein Beitrag zu den von Christiane betreuten abc-Etüden, deren aktuelle Schreibeinladung hier https://365tageasatzaday.wordpress.com/2022/05/15/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-20-21-22-wortspende-von-puzzleblume/ zu finden ist.
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Echt gerecht! 😉 xx Michael
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Ja, das finde ich auch!!! 😊🌈
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Jo. Ach, ich würde es ihr wünschen. Ausgleichende Gerechtigkeit und so. Ich mag solche Konzepte.
Und wenn der Guru einem nur Weisheiten verkündet, die das aktuelle Missverhältnis zementieren, dann ist es super, wenn sie aus- und aufbricht. 🏝️👍
Alles hat ein Ende.
Danke dir für die Etüde! 🌞👍
Mittagskaffeegrüße 🌤️🌳☕🍪🌼🦋
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Ja, alles hat ein Ende! Das hat sie sich auch gesagt. 😊 Und beschlossen, das, was das aktuelle Missverhältnis zementiert aufzubrechen…. . In mehrfachem Sinne 😉. Kaffeegrüße aus hier gerade beginnender Sonne 🌞 ☕☕☕🙏
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Ein modernes Märchen, das für mich beschreibt, wie Menschen sich aufladen, Sorge zu tragen für andere oder eine gute Sache und dafür nur als Spinner ausgelacht werden, von denen, die munter weitermachen wie bisher, die aber „in die Röhre gucken“ werden, wenn sich keiner mehr darum kümmert.
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Wunderbar auf den Punkt gebracht, auch mit dem Wortspiel mit der Röhre … ! Ich bin ganz begeistert, wie sehr du den Wesensgehalt der Texte in deinen Kommentaren erfasst. 💖🙏😀
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Das freut mich nun auch wieder. Danke, Maren. 🙂
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Nein, das ist „Rache“ d.h. Einforderung seines/ihres scheinbaren „Rechtes“. Das befreit sie keineswegs, im Gegenteil.
Daß sie für das Unrecht anderer leide, war allerdings eine Lüge, die man ihr als „Wahrheit“ verkauft hatte.
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Warum sollte es nicht ihr Recht sein, glücklich zu sein?! Sie hat ihm doch die Rückenschmerzen nicht beschert!
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Natürlich hat sie ein Recht dazu. Ich hatte aber den Eindruck, daß sie ihn um etwas beraubt hat.
Und wenn ein anderer deswegen leiden muß, kann kein Glücklichsein entstehen.
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Er war zu dem Inhalt des Schließfachs auf sehr zweifelhaftem Weg gekommen. Jetzt ist es leer. Muss man ihn deshalb bemitleiden? Strafrechtlich ist es natürlich ein Vergehen, wenn ein Armer einem Reichen etwas wegnimmt von seinem Reichtum; selbst, wenn dieser seinen Reichtum nur dadurch erlangt hat, dass er ganz vielen Armen etwas weggenommen hat. Aber ist das moralisch auch ein Vergehen?
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Wenn jemand seinen Reichtum nur dadurch erreicht hat, vielen Armen etwas wegzunehmen, hat eine Arme dennoch nicht das „Recht“, es ihm zu nehmen (zu rauben), um sich ein schönes Leben zu machen.
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Nach unserer Rechtsordnung nicht. Unsere Rechtsordnung bevorzugt allerdings auch deutlich die Reichen, die sich auf Kosten der Armen ein schönes Leben machen.
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Unsere „Rechtsordnung“ meinte ich nicht, sondern was „richtig“ ist.
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Ich weiß nicht, was richtig ist. Ich finde es nicht richtig, wenn Reiche ihren Reichtum auf Kosten vieler Armer erwerben. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich es richtig finde, wenn ihr so erworbener Reichtum sozusagen als geschützt gilt, weil man Arme, die versuchen, sich etwas davon zurückzuholen, dafür verurteilt. Allerdings halte ich Diebstahl, Betrug oder gar Raub natürlich auch nicht für „entschuldigt“. Dass jemand anderes reicher ist, als man selbst, berechtigt einen natürlich nicht, diesen dann nach eigenem Gutdünken auszunehmen, oder ihm sonstwie Schaden zuzufügen. Kein Mensch sollte einem anderen jemals absichtlich Schaden zufügen. Das gilt für den Willi! Aber es gilt natürlich auch für die Frau vom anderen Ende der Straße. Auch, wenn ich mir in dem Fall hier nicht ganz sicher bin, ob sie ihm wirklich einen Schaden zugefügt hat. Vielleicht hat sie ja auch sein Gewissen erleichtert … 😉
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Liebe Maren STARK geschrieben, STARK gedacht. Danke dafür, es rückt einen kleinen Teil Welt wieder mal grade!!!
LG, Edith
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Dankeschön, liebe Edith! Freue mich über dein schönes Kompliment! 😀🙏 Genau, rücken wir die Welt endlich wieder gerade!!!💖🌈
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hat sie gut gemacht die alte Frau! ich wünsche ihr eine gute Reise in die Sonne. 🙂
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Dankeschön! Das wünsche ich ihr auch!!! 😊💖🌞🌞🌞
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Rückfall in die Zeiten des Bildersturms, oder wie soll man den Text verstehen?
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??? Ich weiß nicht, wieso bei dem Text auf den Bildersturm kommst 🤔?
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Durch den Aufruf, dass wir uns jetzt einer neuen Zeit zuwenden, in der es auch gerecht ist, Anderen etwas wegzunehmen, selbst wenn sie es uns „gestohlen“ haben.
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Tja, was gerecht ist, ist die Frage. Ich weiß nicht, ob es gerecht ist, sich in Eigeninitiative etwas (ohne Gewaltanwendung!) zurückzuholen, was einem gestohlen wurde. Wirklich gerecht wäre eigentlich nur, wenn überhaupt niemand anderen etwas stehlen würde! Das ist es natürlich, was ich mir eigentlich wünschen würde!!! Das hieße, dass der Willi den Inhalt „seines“ Schließfachs von sich aus denen zurückgeben würde, denen er diesen abgeluchst hat.
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Das wäre dann eine gute Lösung.
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