
Irgendetwas war passiert in dieser Nacht damals. Sie hatte das vage Gefühl, festgehalten worden zu sein, so dass sie sich nicht bewegen konnte.
Und dann war ihr etwas implantiert worden. In ihr Gehirn, so fühlte es sich an.
Sie hatte sich nicht freiwillig dafür zur Verfügung gestellt. Wenn sie gefragt worden wäre, hätte sie es abgelehnt. Schon immer hasste sie es, als Versuchskaninchen missbraucht zu werden. Aber sie wurde nicht gefragt.
Anfangs fühlte es sich dann sogar interessant an. Sie nahm plötzlich viel mehr wahr, als zuvor. Jemand kommunizierte mit ihr. Und da sie alleine lebte, war das irgendwie angenehm.
Wer das war, erfuhr sie nicht.
Aber dieser jemand machte ihr viele Versprechungen, wie gut es ihr gehen würde, jetzt, wo sie dieses Implantat besäße. Man werde sich um sie kümmern, ihr zu bester Gesundheit und langem Leben verhelfen. Dafür sorgen, dass alles Schwere im Leben ihr abgenommen werde. Sie werde absolut glücklich sein. Und das sei es doch, was sie immer nur gewollt habe. Glücklich zu sein.
Jemands Sprache, seine Art, mit ihr zu kommunizieren, fühlten sich einfühlsam an. Zudem sah sie in ihrer Wohnung ein paar eindrucksvolle und für sie durchaus hilfreiche Demonstrationen von jemands Könnens und Macht. Zwar fand sie das irgendwie ein klein wenig unheimlich, mochte es auch nicht, dass sie sich nirgendwo mehr unbeobachtet fühlte, nicht einmal auf der Toilette.
Aber sie konnte ohnehin nichts dagegen tun.
Und irgendwie vertraute sie diesem jemand auch. Warum auch nicht? Sie war ein gutmütiger liebevoller Mensch. Schon immer geneigt, niemanden zu verurteilen, sondern in allen Wesen das Gute zu sehen. Und dieser jemand würde schon nichts Schlimmes mit seinen Beobachtungen anfangen…. .
Vielleicht war in der implantierten Software auch einfach nur eine Art Grundvertrauen enthalten.
Der jemand sprach viel von Liebe. Und er erzählte ihr davon, wie wichtig sie jetzt sei mit diesem Implantat. Wie sie damit sozusagen der gesamten Menschheit vorangehen würde auf dem Weg in eine neue Welt.
Erst einmal allerdings bekam sie alle möglichen gesundheitlichen Probleme.
Der jemand beruhigte sie. Das sei nur vorübergehend. Nur um ihr (und allen anderen) zu zeigen, was das neuartige Implantat alles könne.
Sie glaubte. Sie mochte die Konzepte von Güte und Liebe, die dieser jemand auszustrahlen schien.
Als mehr und mehr Termine ihrer „Heilung“ sang- und klanglos verstrichen, begann sie, misstrauischer zu werden. Irgendwann fing sie an, sich zu beschweren.
Das tue dem jemand leid. Aber es gebe äußere Umstände, die man vielleicht zu optimistisch eingeschätzt hätte – und die ihre vollständige Heilung leider noch nicht zuließen.
Aber es gehe ihr ja schon deutlich besser, als noch vor einigen Monaten. Woran sie doch ersehen könne, wie toll dieses Implantat sei.
Überhaupt sei Dankbarkeit wichtig. Dankbarkeit und Freude und Liebe. Sie solle sich einfach nur darauf konzentrieren, diese auszustrahlen.
Tatsächlich ging es ihr besser, als noch vor einigen Monaten. Aber immer noch deutlich schlechter, als vor dieser Implantierung – von was auch immer – in ihren Körper. Sie begann, wütend zu werden.
„Aber Wut ist doch eine ganz schlechte Emotion, meine geliebte Tochter. Sie schadet dir und allen anderen. Wenn du auf mich wütend bist, oder aufhörst, mir zu vertrauen, wo ich mich doch wie ein liebender Vater um dich kümmere, dann muss ich dich leider bestrafen.
Aber keine Sorge, du kannst jederzeit in den Schoß meiner Güte und Liebe zurückkehren. Es ist deine Entscheidung, meine geliebte Tochter. Dein freier Wille.
Freilich wird es dir dann wohl immer noch etwas schlechter ergehen, als anderen, die nie wütend auf mich waren.
Denn ich bin absolut gerecht. So sollte ein Vater doch sein, oder? Und wenn du Schuld auf dich geladen hast durch schlechte Gedanken, dann musst du sie leider abtragen diese Schuld. So ist das Prinzip der absoluten Gerechtigkeit.
Wenn du mich aber stets lobst und preist, mir dankbar bist, mich verehrst und nie schlechte Gedanken gegen mich oder andere der von mir Implantierten hegst, dann wirst du in einem Paradies leben.“
Sie konnte sich strecken und recken wie eine Giraffe. Es war völlig klar, dass sie solch eine „Heiligkeit“ niemals würde erreichen können.
Und irgendwann wurde ihr klar, dass auch diesem jemand das klar war.
Wer oder was war dieser jemand? Ein Sadist?!
Jemand, dem es darum ging, seine Macht zu demonstrieren, Menschen zu seinen Marionetten werden zu lassen, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich abstrampeln?
Um sie dann auf die ein oder andere Art zu bestrafen, wenn sie ihm nicht die Verehrung zukommen ließen, die ER für sich einforderte?
Wohl wissend, dass das, was er forderte, nahezu unerfüllbar war? Mit einer sadistischen Freude besonders die quälend, die es dennoch versuchten? Also die, die so gerne Liebe und Güte leben würden. Und so gerne VERTRAUEN würden?
Ein Psychopath, der diesen liebevollen und arglosen Menschen vorspielte, dass er eine Art „liebender Vater“ sei, der doch nur das Beste für seine „Kinder“ im Sinn habe?
Ein Psychopath, der zunächst dafür gesorgt hat, dass er weit und breit verehrt wurde. Das erkannte sie schnell.
Versuchte sie, andere darauf aufmerksam zu machen, WEN sie da verehrten, rannte sie gegen geistige Mauern. Nein, DER, der PERSONIFIZIERT das Gute, wurde ihr bedeutet. Und wenn du das nicht siehst, sondern versuchst, ausgerechnet den schlecht zu reden – Dann bist du wohl selber böse?! Dann solltest du vielleicht mal an dir arbeiten… .
Sie wurde zunehmend verzweifelter.
Längst war sie in ihrer inneren Kommunikation mit dem jemand dazu übergegangen, IHN und seine widerliche Eiseskälte in die Antarktis zu wünschen. Wenn er seine Kälte da versprühte, würde er endlich mal was wirklich Gutes tun für Natur und Mensch. Müsste das nicht selbst Psychopathen verlocken, die Aussicht, endlich mal tatsächlich etwas GUTES zu tun?
Konnte man Psychopathen überhaupt heilen???
Wie würde sie dieses verdammte Implantat wieder los?! Wie würde sie diesen Widerling davon abhalten können, noch mehr Menschen gegen ihren Willen oder unter Vorspiegelung falscher Versprechen Implantate zu verpassen?!
Wer würde ihr helfen???
Und wenn es gar kein Implantat gibt? Im “ Oberstübchen“ wohnen viele dreiste GesellInnen…und doch gibt es nur eine Hausherrin/ Hausherr…oder??
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Tja, das ist die Frage, ob es wirklich nur eine*n Hausherr*in im menschlichen Oberstübchen gibt, und falls ja, wer das ist … . 😉. Ich halte die Gedanken für längst nicht so frei, wie wir es gerne besingen… . Tatsächlich werden unsere Gedanken ja schon ohne Implantat in großem Stil gesteuert. Und es gibt ganz offensichtlich den „Traum“, vollständige Kontrolle über die Gedanken anderer bekommen zu können. Warum „träumen“ Menschen von so was? Was ist ihr „Vorbild“?
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Wahrscheinlich geht es da um die “ sauberste “ Lösung, ohne Risiko-
l‘ homme machine , bestens zu handhaben- — unlebendig…gruselig, solche saubere Lösung…
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Gruselig, das finde ich auch! Und wer sind diejenigen, die diese Maschine dann handhaben? Mit welcher Absicht?
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Gruselig, diese Vorstellung vom Implantat *schüttel*
Eine Dystopie, die technisch heute schon machbar ist.
Grauenvoller Gedanke, Menschen ohne ihre Einwilligung zu operieren und damit extrem zu beeinflussen …
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Ja, eine echte Dystopie. Und leider gar nicht so weit weg von dem, was bereits Realität ist. 🤢
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Irgendetwas ist leider daran: Daß Menschen sich zu einem „Glauben“ gezwungen fühlen, weil es von ihnen erwartet wird.
Das ist auf jeden Fall der falsche Weg, so gut es auch im Einzelfall gemeint sein kann.
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Die Frage ist, wieviel Wahl man den Menschen tatsächlich lässt. Denn der Zwang ist nicht unbedingt „nur“ gefühlt … .
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Ja, das habe ich auch erlebt, leider. Dabei mag ich diese Menschen, die mich so gern liebevoll in ihre Gemeinschaft aufnehmen wollen. Da Distanz zu wahren, fällt mir nicht ganz leicht.
Doch auch das Zurückstoßen, Ausstoßen aus Gemeinschaften gibt es. Ist mir das vielleicht lieber? Nein.
Was bleibt? Der eigene Weg und das eigene Tun, die eigene Überzeugung und Verantwortung, wenn auch allein.
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