
Kennt Ihr diesen total dümmlichen „Witz“ (ha ha…), der während Merkel`s Kanzlerschaft in der Zeit der der CDU-FDP-Regierung kursierte: „Sitzen eine Ostdeutsche, ein Asiate und ein Behinderter in einem Lokal. Jemand fragt: „Was sind denn das da für drei komische Gestalten?“. Antwortet ein anderer: „Unsere Bundesregierung.““
Rassismus und Behindertenfeindlichkeit sind in unserer Gesellschaft anscheinend tief verwurzelt.
Auch am eigenen Leib habe ich immer mal wieder bemerken „dürfen“ als Köperbehinderte als irgendwie minderwertig angesehen zu werden.
Ich erinnere mich an „Dates“ zu einer Zeit, als man mir eine Erkrankung noch kaum ansah, mit Männern, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstanden hatte, und die klar an mir interessiert waren. Bis sie irgendwann sagten: „Bei deiner sportlichen Figur bist du ja bestimmt sportlich auch sehr aktiv.“ Und die dann, wenn ich auf mein Rheuma hinwies, antworteten, dass eine nähere Bekanntschaft mit mir für sie unter diesen Umständen nicht in Frage käme.
Wenn ich – in einem akuten Rheumaschub – mich sehr deutlich schmerzgeplagt irgendeinen Fußweg entlang quälte, oder auch in Bus oder Bahn, war schon lange für mich auffällig, wie wenig Menschen Rücksicht auf meine so sichtbar eingeschränkte Gehfähigkeit nahmen. Wie sie mich teilweise anstarrten, wie manche mich sogar noch zur Seite schubsten, weil sie der Meinung waren, dass ich ihre Gehgeschwindigkeit behindere. Manchmal nahm ich mir Unterarmgehstützen mit. Nicht, weil mir die irgendetwas genützt hätten, im Gegenteil waren sie mir eigentlich eher im Weg; aber wenn ich mit diesen Dingern unterwegs war, wurde plötzlich von den meisten anderen deutlich mehr Rücksicht auf mich genommen. Dann nämlich sah ich nicht „behindert“ aus, sondern ich sah aus, als hätte ich einen (Sport-)Unfall gehabt. Und damit hatten die Leute deutlich mehr Mitgefühl. Ich war damit zum „normalen“ Menschen geworden, dem ein Missgeschick passiert war, und der danach wieder gesund würde…
Die (unbewusste) Denkweise, dass behinderte Menschen „minderwertige“ Menschen seien, ist gerade auch in „esoterisch – spirituellen Kreisen“ leider sehr verbreitet. Vielleicht kennen einige die „Anastasia-Bücher“, aus denen eine ganze Bewegung entstanden ist. Ich habe alle Bücher der Reihe gelesen. Sie knüpfen durch die Art ihrer Sprache sehr geschickt an die Sehnsucht vieler Menschen (auch meiner Sehnsucht) nach einem Zurück zur Natur und zur Natürlichkeit an. Mit ihrer klaren Ausrichtung auf ein menschliches Leben mit geringst möglichem „ökologischen Fußabdruck“ bewirken sie durchaus auch viel Gutes. Sehr problematisch ist aber, dass diese Bücher unterschwellig gleichzeitig Botschaften vermitteln, die rassistisch und homophob sind, die (obwohl die Hauptfigur eine Frau ist) Frauen nicht als wirklich gleichwertig beschreiben; die ausgerechnet das Natürlichste auf dieser Welt, die menschliche Sexualität (sehr unterschwellig) als „schmutzig“ darstellen, und die mit ihrer Huldigung von Konkurrenzdenken und von perfekter „natürlicher“ körperlicher Fitness und Schönheit, die angeblich eine Art Spiegel der seelischen Schönheit sei, klar behindertenfeindlich sind. Dass in diesen Büchern irgendwo der Satz steht, für die Menschen seien nur die Bibel, die konfuzianistischen Schriften und die „Anastasia-Bücher“ „wichtig“, passt dazu; denn auch die Bibel und die konfuzianistischen Schriften sind sehr geschickt formuliert – und enthalten unterschwellig sehr viele für ein gutes, gleichberechtigtes und gleichwertiges Zusammenleben aller Menschen sehr problematische Botschaften (ich habe in meinen Blog-Beiträgen schon wiederholt darauf hingewiesen; vgl. z.B. „Die Weihnachtsgeschichte“ und „Die große Ent-Täuschung“ ).
Auch über ein Buch von Ruediger Dahlke habe ich mich mal sehr geärgert (wobei ich andere Bücher von ihm durchaus schätze): Es ging in dem Buch darum, dass man / frau angeblich von körperlichen Merkmalen / „Makeln“ einer Person auf charakterliche Merkmale / „Makel“ dieser Person schließen könne. Nach der Denkweise wären körperlich behinderte Personen charakterlich irgendwie defizitär. Fast schon „selbst schuld“ an ihrer körperlichen Behinderung. So, als würde z.B. jemand der schlecht hören kann, einfach nicht zuhören WOLLEN. Und jemand, die schlecht gehen kann, hätte nach dieser „Logik“ Angst vor großen Schritten, Angst, sich irgendwo in neue, unbekannte Gefilde hinzuwagen, WOLLE dies nicht…..
Und dann gibt es in „esoterisch-spirituellen Kreisen“ auch noch die, die meinen, „jede Seele habe sich ihr Schicksal selbst ausgesucht“, oder eine Körperbehinderung sei „Karma“. Beides beliebte „Argumentationen“, um das eigene Gewissen „reinzuwaschen“, wenn man / frau den wegen einer körperlichen Beeinträchtigung um Hilfe und Unterstützung Bittenden diese verweigert. Und um mit dieser „Argumentation“ dann auch noch zu behaupten, man selbst wäre ja so ein besonders „guter Mensch“, weil gesund…..
Die Verehrung der Gesunden mit dem tollen attraktiven und fitten Körper ist seit der Antike im Menschen „gesät“ worden: Olympische Wettkämpfe, Götterstatuen mit „Idealkörper“ = körperliche Schönheit, perfektes „Funktionieren“ dieses Körpers – und die Konkurrenz darum, der / die Schönere, der Stärkere, der Schnellere, der mit dem besser „funktionierenden“ Körper zu sein.
Die „Besten“ mit Lorbeerkränzen oder Medaillen auszuzeichnen, ihnen zuzujubeln, sie zu verehren; die „Besten“ und die „Schönsten“ zum / zur Partner*in zu begehren; die Verlierer, die „Loser“, auszulachen; all das ist uraltes Denken, zumindest im Westen.
Und das westliche Wirtschaftssystem will und fördert ohnehin die „Leistungsfähigen“, die „Fitten“, die, die möglichst „produktiv“ sind. [Ob das, was dann produziert wird, für die Menschheit irgendeinen Nutzen hat, oder letztlich nur Ressourcenverschwendung ist, scheint dabei den meisten erschreckend unwichtig zu sein.]
Es geht überall um Konkurrenz, und wer nicht (mehr) „konkurrenzfähig“ ist, verschwindet nach dieser Art Logik vom „Markt“.
Konkurrenz wird dabei nicht etwa als ein Miteinander verstanden, in dem Sinne, dass verschiedene Herangehensweisen an ein Problem zugelassen und ausprobiert werden -, um dann unvoreingenommen gemeinsam auszuwerten und zu schauen, was könnte sich lohnen, für alle zu übernehmen. [Wobei Menschen sehr unterschiedlich sind und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse ohnehin unterschiedliche Herangehensweisen naturgemäß erfordern.]
Sondern Konkurrenz wird leider als knallhartes Gegeneinander gelebt, bei dem der / die „Stärkere*n“ den oder die „Schwächere*n“ ausstechen und „platt machen“ wollen.
Und körperlich Behinderte sind nahezu immer körperlich schwächer, als andere. Und – körperlich – weniger leistungsfähig.
Sie haben zwar vielfach deutlich mehr Weisheit und Weitblick, als andere. Sie waren / sind in ihrem Leben sehr viel mehr Hürden, Schranken, Widerständen, Demütigungen, Verletzungen und Schmerzen ausgesetzt, als „gesunde“ Menschen. Um dann dennoch nicht zu verzagen, braucht es viel Weisheit und Weitblick.
Aber Weisheit und Weitblick sind in dieser derzeitigen Gesellschaft leider wenig gefragt.
Und leider ist das eigentlich natürliche menschliche Gerechtigkeitsempfinden bei den meisten Menschen bisher auch noch sehr unterentwickelt!!!
Das muss sich ändern.
Liebe Maren.
Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. Interessant, dass du die Anastasia-Bücher alle gelesen hast. Danke für dein Resümee. Dann kann ich mir das sparen sie zu lesen, ich habe sowieso nicht allzu viel Zeit dafür.
ich war mal sehr Yoga und Esoterik begeistert, komme aber derzeit immer mehr davon weg, aus genau diesen Gründen, die du u.a. oben beschreibst. Die Seele sucht sich den Körper selbst aus und wenn man krank, behindert oder sonst irgendeinen Makel hat, dann ist man „quasi selbst schuld“. Denn die Seele wollte das ja so. Was mich auch sehr stört, ist dieses davon ausgehen, dass wir alle von Geburt an „krank“ sind und an uns arbeiten müssen. Wir kommen praktisch schon mit einer Last und Schuld auf die Welt und mühen uns unser ganzes Leben, dieses Karma zu erfüllen. Ich kenne sehr viele Menschen, die von einem Workshop zum nächsten laufen, um die Seele zu reinigen, zu heilen, ganz zu werden etc… sie sind regelrecht getrieben vom „gesund werden“.
Nein. Ich kam heil und ganz und ohne Schuld auf die Welt! Männer, die dich nicht wollen, weil du in ihren Augen einen „Makel“ hast, sind es nicht wert. Gut, dass sie es gleich selbst gesagt haben, dann hast du deine Zeit nicht länger mit ihnen vergeudet. Es ist natürlich sehr schade, dass es diese Menschen gibt, aber wie immer wird auch hier die Spreu vom Weizen getrennt.
Oft ist es so, dass genau diese Menschen, die anders sind, viel interessanter sind. Denn sie haben andere Gaben!
Alles Liebe und ein schönes langes Wochenende. 🙂
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Liebe Moni, danke für deine schöne Resonanz und deinen Zuspruch, über den ich mich sehr freue!!! Ja, du hast recht, eine nähere Beziehung mit diesen beschriebenen Männern hätte sich für mich sicher nicht gelohnt, sondern wäre eher schmerzhaft gewesen. Und ich selbst finde in jedem Fall die Menschen sehr viel interessanter, die anders sind, als die meisten anderen!!
Herzliche Grüße und auch ein schönes langes Wochenende für dich ❤️❤️❤️💖💖💖
Maren
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Deine Hinweise auf ideologische Konstrukte, die die körperliche Schönheit als Ausdruck innerer Vollkommenheit darstellen, sind zutreffend und ließen sich erweitern, zB durch Hinweis auf die Märchen, wo gut und schön, böse und hässlich zusammenfallen. Im Griechischen wurde derselbe Ausdruck, Kallos, sowohl für das Schöne als auch für das Gute benutzt.
„Hässlich“ und „behindert“ sind freilich nicht gleichgesetzt. „Behindert“ kommt gar nicht vor. Es wäre, als wollte man einen Tempel bauen, an dem drei Säulen fehlen.
Erst viel später in der Menschheitsentwicklung blickt man auf „Behinderungen“ wie zB Zwergwuchs mit Achtung, ich erwähne Velasques Hofzwerg.
Niemals aber waren körperlich „Behinderte“ aus dem Wettbewerb um die Macht und Einfluss ausgeschlossen. Zwergwüchsige, Eunuchen, Gelähmte konnten zu höchsten Ehren aufsteigen. Auch in der Wissenschaft konnten sie brillieren.
Im Griechischen heißen die „Behinderten“ „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“. Das setzt einen Schwenk im Blickwinkel voraus. Selbstverständlich kann ein körperlich behinderter Mensch nicht im sportlichen Wettkampf gegen einen Athleten gewinnen (genauso wenig übrigens wie biologische Frauen gegen Transfrauen siegen können. Aber das ist ein anderes Kapitel). Doch in dem, wo der Mensch seine Stärken hat, kann er sehr wohl in einen Wettbewerb eintreten.
Nun bist du anscheinend ganz gegen eine Gesellschaft, die sich über Konkurrenz definiert, weil die Startbedingungen nicht gleich sind? Sicher, sie sind nicht gleich. Aber waren deine die schlechtesten? Du bist intelligent, gut (sportlich) aussehend, konntest studieren, einen Beruf ausüben, Geld verdienen, Liebesbeziehungen aufnehmen… „Gerechtigkeitsempfinden“ würde fordern, dass du diese deine Vorteile abwägst gegen deine körperlichen Einschränkungen und zu dem Schluss kommst: Ich habe es vergleichsweise gut getroffen, trotz allem. Ich brauche mich, was meine Lebensbilanz betrifft, nicht zu verstecken. Ich denke, das weißt du auch.
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Ja, es gibt Geschichten, in denen Zwergwüchsige, Eunuchen und Gelähmte „zu Ehren aufstiegen“, ebenso wie es einen Bundesfinanzminister im Rollstuhl gab … . Das reicht aber nicht, um all die Prägungen zu löschen, wonach dies „minderwertige“ Menschen seien.
Die Bezeichnung als „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“ finde ich sehr gut. Allerdings werden diese besonderen Fähigkeiten leider wenig geschätzt. Barrierefreiheit für den öffentlichen Raum ist für Menschen im Rollstuhl immer noch lange nicht gegeben. Ich musste daran auch denken, als du letztens das Wahlprozedere bei euch in Griechenland beschrieben hast: Theoretische „Wahlpflicht“, aber keine Briefwahlmöglichkeit und vermutlich auch kaum barrierefreie Zugänge zu den Wahllokalen.
Wie ich in diesem Beitrag geschrieben habe, sehe ich Konkurrenz, die sich über ein GEGENEINANDER definiert, als sehr schlecht an.
Wie ich auch geschrieben (oder zumindest angedeutet) habe, sehe ich Konkurrenz, die sich über ein MITEINANDER definiert, allerdings als sehr gut an.
Denn genau: Menschen sind verschieden, Umweltbedingungen sind verschieden, Gesellschaftliche Gegebenheiten sind verschieden. Und es wäre super, die Verschiedenartigkeit nicht als Gegeneinander zu begreifen und zu leben, wo eine*r den oder die andere „übertrumpfen“ will, sondern als Miteinander, wo jeder individuelle Beitrag geschätzt wird.
Ich behaupte nicht, dass meine persönlichen Startbedingungen „die schlechtesten“ waren. Es geht mir in diesem Beitrag auch nicht in erster Linie um mich persönlich. Gerechtigkeit bedeutet für mich aber, dass Rollstuhlfahrer und andere „von der Norm abweichende“ Personen ganz selbstverständlich und natürlicherweise von der Allgemeinheit genauso wertgeschätzt werden, wie ein Mensch mit einem angeblichen „Idealkörper“.
Denn jede*r Mensch hat andere Gaben. In unserer derzeitigen Gesellschaft werden aber einige Gaben als sehr viel erstrebenswerter angesehen, als andere, WEIL Menschen mit diesen Gaben den meisten als „begehrenswerter“ gelten.
Also gilt den meisten körperliche Fitness mehr, als Weisheit.
Und das ist für diese Welt nicht wirklich gut …
Liebe Grüße und danke für deinen Kommentar!!!
Maren
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„Das natürliche menschliche Gerechtigkeitsempfinden ist bei den meisten wohl noch etwas unterentwickelt“, – da will ich mich selber nicht ausschließen -; aber ich beobachte, wie ein Bewußtsein dafür doch vielfach zugenommen hat.
Wie selbstverständlich werden Rollstuhlfahrer, Kleinwüchsige, Kinder, Alte in den Geschäften gleich freundlich behandelt! Daruber freue ich mich jedesmal und lerne auch ein wenig davon.(Daß ich es überhaupt erwähne, wird mir vielleicht „angekreidet“).
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Ja, das Bewusstsein dafür nimmt bei etlichen glücklicherweise zu. Dennoch ist im menschlichen Unterbewusstsein bisher noch spürbar, dass Behinderte von den meisten nicht als wirklich gleichWERTIGE Menschen angesehen werden. Und mir geht es ja in meinen Beiträgen darum, diese Prägungen des menschlichen Unterbewusstseins „ins Bewusstsein zu holen“, damit für das Gemeinwohl schädliche Prägungen verändert werden können.
Danke für deinen Kommentar! 💕💕💕
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😊
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