abc-Etüden; Textwochen 45.46.20; Nummer 2

Abschreckung

Zufrieden betrachtete er seine Konstruktion. Nach dem ersten unliebsamen Besuch hatte er nur ein Nachtlicht mit Bewegungsmelder angebracht an dem Zaun. In der Hoffnung, dass das helle Licht das Tier abschrecken würde. Aber die Hoffnung hatte getrogen. Das Tier kam wieder. Nicht auszudenken, wenn aus dem Einzelgänger wohlmöglich noch ein Rudel werden würde. Er musste vorher handeln!

Er war immer stolz darauf gewesen, seine Kuhherde artgerecht auf der Weide zu halten. Und jetzt das. Dreimal hatte der Wolf seine Herde heimgesucht. Drei Kälber. Übel zugerichtet. Der Elektrozaun hatte nichts genutzt. Seine Kühe waren panisch inzwischen. Und dann dieses liebliche Gesäusel dieser Naturschützer: „Der Wolf gehört in unsere Wälder.“ Wie er das hasste! Die hatten leicht reden! Er lebte von seinen Tieren!

Falls es Konsequenzen und Strafen geben würde, würde er sie tragen. Aber mit diesem Vieh würde er seine Kühe nicht mehr teilen! Er nicht. Und die anderen Bauern würden es ihm danken.

Die Selbstschussanlage war für ihn pure Notwehr. Sie war so eingestellt, dass sie genau auf die Bewegungen eines Wolfes reagieren würde, nicht auf Menschen. Lange hatte er getüftelt. Er stellte die Anlage scharf für die Nacht und ging die 500 Meter zurück zum Auto.

„Ada!“

Verdammt, wo war seine geliebte Hündin? Sie hörte aufs Wort, und er hatte ihr doch extra befohlen am Auto zu warten.

„Ada?“

KRAWUMM!!! Das Geräusch des Schusses aus seiner Anlage zerriss ihm fast das Herz … .

Die Etüde ist inspiriert durch eine kurze Reportage, die ich vor einigen Wochen gesehen habe, über die verschiedenen Reaktionen auf die Rückkehr der Wölfe. Das Wort „Abschuss“ fiel mehrfach … .

Dank wie immer an Christiane für die Schreibeinladung (https://365tageasatzaday.wordpress.com/2020/11/01/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-45-46-20-wortspende-von-kain-schreiber/) und natürlich auch an Kain Schreiber für die Wortspende!