Als ich den Vertrag in den Händen hielt, ahnte ich bereits, dass sich die vermeintliche Erfüllung eines Wunschtraumes als Alptraum entpuppen könnte. Hier war alles Fake. Alle Rollen waren vorgeschrieben. Wann eine von uns „rumzicken“ oder in Tränen ausbrechen sollte, war vorab festgelegt. Ich hatte überlegt, mich zu weigern, aber für den Fall waren saftige Vertragsstrafen angedroht. Also spielte ich halbherzig mit.
Jetzt stand ich dieser blonden Frau gegenüber, die in Wahrheit gar nicht blond war. Und noch während ich zuhörte, wie sie mir sagte: „Ich hab heute leider kein Foto für dich.“ entstand ein Plan in meinem Kopf:
Ich würde eine eigene Casting-Show starten. Eine mit echten Frauen. Frauen, die sich und ihren Körper genossen und ihren Wert kannten. Die über das Ansinnen eines Mannes, sich FÜR IHN zu quälen in höchsthackigen Schuhen oder mit ständigen Diäten, nur milde lächelten. Frauen, die Typen in die Wüste schickten, deren Frauenbild vorsah, dass SIE ihm ihre „Liebe“ zeigt, indem sie es sich unbequem macht. Frauen, die niemals auf die Idee kämen, sich von dümmlichen Fotografen mit blöden Sprüchen oder Blicken demütigen zu lassen. Und die es nicht für erstrebenswertes „Diszipliniertsein“ hielten, eine bestimmte Kleidergröße zu tragen.
Ich wusste noch nicht, womit ich solche echten Frauen dafür belohnen könnte, dass sie bereit wären, sich öffentlich zu zeigen. Aber da würde mir schon noch was einfallen.
Ein Beitrag zu den abc-Etüden, deren aktuelle Schreibeinladung hier https://365tageasatzaday.wordpress.com/2022/11/13/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-46-47-22-wortspende-von-blaupause7/ zu finden ist.