
Sie waren hohes Risiko gefahren bei der Weichware AG, aber es hatte sich gelohnt. Ihre Börsenperformance suchte ihresgleichen. Sie hatten alles mit den Marketingleuten mehrfach vorher penibel durchgespielt: Wie brachte man ein Handy mit einer neuartigen Software unter die Leute – unabhängig von deren Bedarf?
Erwartungsmanagement war das Zauberwort. Erst eine riesengroße Werbekampagne. Dauerberieselung, egal wie teuer.
„Sie müssen das neue Produkt als eine Art Messias hinstellen. Die Lösung aller Probleme. Wer es nicht hat, verpasst sein Leben. Immer wieder wiederholen! Irgendwann glauben es alle.
Nutzen Sie aus, dass Menschen zur Mehrheit gehören wollen! Verkünden Sie, dass nach Ihren Marktforschungsstudien schon 80 % aller Deutschen sich IHR Handy wünschen.
Und lassen Sie auf keinen Fall zu, dass Kritiker zu Wort kommen. Jede Kritik an dem Produkt müssen Sie im Ansatz blockieren. Niemand sollte befürchten, dass die Software des neuen Handys wohlmöglich ungünstig mit seinen vorhandenen Systemen interagieren könnte. Schließlich passiert das ja wohl auch nur in seltenen Fällen.“
Der nächste Schritt war eine künstliche Verknappung des Produkts gewesen:
„Sie müssen die Sehnsucht wecken! Es muss etwas Begehrenswertes sein, zu den Auserwählten zu gehören. Losen Sie diese aus. Filmen Sie die Übergabe an die ersten Glücklichen und zeigen Sie immer wieder, wie zufrieden diese wirken.“
Und weiter ging es:
„Wenn das Interesse abzuflauen droht, versprechen Sie, dass die glücklichen Käufer noch Add-On’s erhalten werden. Exklusiven Zugang zu begehrten Veranstaltungen u.ä..“
Alles lief perfekt.
Und dann hatte ihr oberster Chef, dieser blöde Affe, ein Interview gegeben und durchblicken lassen, dass das Handy doch nicht so sicher sei. Der Börsenwert war innerhalb von Sekunden in den Keller gerauscht. Sie waren immer noch fassungslos.
Aus dem Radio ertönten die Nachrichten:
„Wie aus gut informierten Quellen zu erfahren war, ist der Chef der Weichware AG heute zu Microsoft gewechselt. Man munkelt über ein hohes 6stelliges Gehalt.“
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Inspiriert durch ein Gedicht von Christian bei Wortverdreher (#Ausdruck der Woche, Erwartungsmanagement ‹ wortverdreher ‹ Reader — WordPress.com).
Mit Dank an Christiane für ihre Mühe mit den Etüden (hier die Regeln: Schreibeinladung für die Textwochen 06.07.21 | Wortspende von Wortman ‹ Irgendwas ist immer ‹ Reader — WordPress.com) und an Torsten von Wortman für die diesmalige Wortspende.