
Die Zähne! Immer wieder diese verdammten Zähne! Dabei putzte er sie stets akribisch nach jeder Mahlzeit. Das hatte man ihm bereits als Kind beigebracht. Ihm erklärt, dass er sonst „Karies“ bekäme.
Trotzdem waren schon seine Milchzähne „schlecht“ gewesen. Und seine „Erwachsenenzähne“ noch schlechter… .
Wieviele seiner Lebensstunden in einem Zahnarztstuhl verstrichen waren, konnte er nicht mehr zählen. Stunden der Folter.
Er fühlte sich so ausgeliefert, wenn er in diesem Stuhl saß. Ausgeliefert einer Person, die etwas mit ihm machen würde, von dem er wusste, es würde weh tun und unangenehm sein. Half es ihm wenigstens? Er verließ sich auf den Experten. Aber: Mehr als einmal hatte jemand etwas als „unumgänglich“ bezeichnet, was vom nächsten Zahnarzt plötzlich zu einer eher schlechten Lösung erklärt wurde.
Diese Amalganfüllungen, von denen er einst so unglaublich viele bekommen hatte, galten inzwischen sogar als schädlich. Also waren sie ihm in endlosen Sitzungen wieder entfernt und durch irgendwas Anderes ersetzt worden. Dass er sich nach diesen Sitzungen keineswegs besser, sondern eher schlechter gefühlt hatte, war ihm damit erklärt worden, dass das Quecksilber des Amalgan von seinen Körperzellen aufgenommen worden sei. Zur Entgiftung war er an einen Heilpraktiker verwiesen worden.
Er hatte den Zahnarzt gewechselt. Mal wieder. Und mal wieder hatte er einen Kostenvoranschlag mitbekommen für eine unbedingt erforderliche Zahnbehandlung.
Manchmal unkte er, dass jeder Arzt versuche, sich ein möglichst großes Stück von dem Kuchen zu sichern, den seine Zähne zu bieten schienen.
Er war Privatpatient: Sozusagen ein Königskuchen.
Wie kamen Menschen eigentlich in anderen Ländern mit ihren Gebissen klar? In Ländern, wo es kaum (Zahn-)Ärzte gab? Von solchen Behandlungen konnten die doch nur träumen?
Aber half ja nichts. Was getan werden musste, musste getan werden: Terminvereinbarung.
Magengrummeln.
ANGST!
Sein ganzer Körper schrie es geradezu.
„Wozu bloß sind Gefühle da?!“ fragte er sich.
Und sagte die Behandlung ab.
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