
„Guten Tag, mein Name ist „Anleihe“. James Anleihe. Ich bin Geheimkünstler im Dienste ihrer Majestät.
Sie fragen, wer die „Majestät“ ist?
Majestät ist das Wichtigste auf der Welt, was sonst…?
Also: Unser Geld natürlich!!!
Sie fragen, wer „uns“ ist?
Ich bin Geheimkünstler. Ich habe Geheimnisse …
Meine Kunst besteht darin, die Macht der Majestät – und damit auch meine und die meiner Freunde – zu vergrößern.
Das ist nicht mehr so einfach heutzutage, sage ich Ihnen.
Seit dieser Finanzkrise damals haben einige Menschen bemerkt, dass unsere kunstvoll gestalteten Papiere oft gar nicht so wertvoll sind, wie wir den Käufern stets suggeriert haben.
Wir alle in der Branche haben seitdem echte Schwierigkeiten. Wir tanzen auf einem Vulkan.
Vielen gefällt das.
Wer liebt sie nicht, die Spannung und das Risiko? Gehen wir nicht deshalb ins Kino…?
Nun ja, ich sage Ihnen, wir stehen wirklich am Abgrund. Eigentlich hingen wir, hing ich, schon an einem Seil über dem Abgrund. Und das Seil drohte zu reißen.
Aber dann… . Dann, im Februar 2020 gelang mir ein echter Coup im Dienste ihrer Majestät: Ich konnte zum ersten Mal seit sechs Jahren eine Nachranganleihe mit unendlicher Laufzeit platzieren, die beim Unterschreiten gewisser Kapitalschwellen entwertet wird.
Das klingt für Sie sperrig? Das soll es auch … .
Kunst muss man nicht verstehen. Man muss sie mögen!
Und das tun die Leute: Das Papier ist zehnfach überzeichnet. Wegen der hohen Nachfrage habe ich das Emissionsvolumen bereits von 1 auf 1,25 Mrd. € aufgestockt. Im gleichen Monat habe ich einen neuen Großaktionär für mein Haus gewonnen.
Meinen gerührten Martini habe ich mir wirklich verdient, sage ich Ihnen.
Wer der Bösewicht ist, gegen den ich kämpfe im Dienste ihrer Majestät?
Na der, der ständig eine Katze streichelt. Wer denn sonst?“
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Inspiriert durch diesen Artikel über James von Moltke (seit 2017 CFO der Deutschen Bank) https://www.finance-magazin.de/koepfe/james-von-moltke/, wonach dieser eben im Februar 2020 besagte Nachranganleihe emittiert hat.
Und natürlich durch die deutsche Übersetzung des englischen Begriffs „bond“, die mir irgendwie passend erschien … .
[Selbstverständlich will ich dem James v.M. mit dem Text nicht unterstellen, dass er keine Katzen oder Katzenliebhaber mag … . Vermutlich streichelt „der Böse“ in den neueren James Bond – Filmen ohnehin schon lange keine Katze mehr. Mein letzter Bond-Film liegt schon etwas länger zurück. 😉😎]
Zur Erläuterung: Nachranganleihen sind Unternehmensanleihen, die im Fall einer Insolvenz des Unternehmens nachrangig bedient werden. Also ein hohes Risiko aufweisen.
Sie waren bei den ausgebenden Unternehmen v.a. deshalb beliebt, weil sie früher zu 100 % als Eigenkapital in der eigenen Bilanz ausgewiesen werden durften. Das war einer der Punkte, der in der sogenannten Finanzkrise zu großen Problemen geführt hatte, denn das ausgewiesene Eigenkapital war ja in Wahrheit so gar nicht vorhanden. Man hat das deshalb 2013 zu regulieren versucht (Basel III), indem der prozentuale Anteil, zu dem solche Anleihen als Eigenkapital ausgewiesen werden durften, sukzessive zurückgeführt werden und ab 2022 eigentlich ganz ausgeschlossen sein sollte.
„Wegen Corona“ hat man diesen Zeitpunkt allerdings inzwischen auf 2023 verlegt. Ich könnte mir also gut vorstellen, dass die jetzige Anleihe der Dt. Bank half, ihre Bilanz noch einmal ein wenig zu schönen – in der Erwartung, dass die Politik die großen Finanzinstitute nicht in die Insolvenz gehen lassen wird, und 2023 vielleicht dann doch auch nicht das Enddatum sein wird … . 🤔 Auch die Anleger dürften die Erwartung haben, dass zur Not eben die Steuerzahler einspringen werden. (Das ist schließlich nur fair, oder 😉?)
Es handelt sich hier zwar nur um eine vergleichsweise geringe Summe – aber ja auch nur um einen kleinen Ausschnitt aus der großen Welt der „Geheimkunst“… .
Wie immer mit herzlichem Dank an Christiane für ihre liebevolle Betreuung der Etüden, deren aktuelle Einladung hier https://365tageasatzaday.wordpress.com/2021/10/03/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-40-41-21-wortspende-von-umgebucht/ zu finden ist. Und an Yvonne für die Wortspende!