Corona: Gesprächsangebot einer Andersdenkenden

Künstlerin: Dörte Müller

Hinweis: Dieser Beitrag ist ein Versuch, für mich die Hintergründe und Ursachen der sehr verschiedenen Bewertungen des Umgangs mit Corona zu beleuchten und zu verstehen. Ich hoffe, damit auch zum Verständnis meiner Sicht bei anderen beizutragen. Ich hole dabei etwas weiter aus, als man das bei dem Stichwort „Corona“ gewohnt ist und beschreibe verschiedene Stränge, die hier für mich eine Rolle spielen. Es ist meine Sicht und selbstverständlich muss niemand meine Bewertung und Wahrnehmung teilen. Wer bei dem Stichwort „Corona“ mit starken Ängsten oder sonstigen erheblichen Emotionen reagiert, sollte den Beitrag eher nicht lesen. Ich möchte niemanden verärgern. Mein Ziel ist im Gegenteil, mehr Verständnis zu schaffen. Über konstruktive Kommentare freue ich mich.

Die Bibel, Darwin und das Unterbewusstsein

„Macht euch die Erde untertan!“ Ich weiß noch, dass ich völlig entsetzt war, als vor vielen Jahren die Kanzlerin in einem Interview – gefragt nach ihrem Lieblingszitat aus der Bibel – diesen Satz nannte. Vielleicht war das für sie eine Möglichkeit, Christentum und Naturwissenschaft für sich zu verbinden. Ich weiß es nicht. Aber ich muss in letzter Zeit öfter daran denken, weil ich mich ja seit etlichen Monaten frage, warum die Corona-Politik so läuft, wie sie läuft. Inzwischen glaube ich, auch durch diese Blogs hier, das besser verstanden zu haben.

Ich stelle immer wieder fest, dass der überwiegende Anteil aller Menschen – zumindest in den Industrienationen – die Natur als etwas grundsätzlich Feindliches betrachtet. Auch mir ist das keineswegs fremd. So habe ich z.B. (eine mir unverständliche) Angst, von Tieren „angefallen“ zu werden; und eine Nacht alleine im Wald wäre mir unmöglich.

Wilde Natur scheint in dem Unterbewusstsein fast aller etwas Bedrohliches zu haben. Selbst bei Naturschützer*innen ist oft – zumindest unterschwellig – die Vorstellung da, die Natur einfach „machen zu lassen“, gehe nicht. Der Mensch könne es in jedem Fall besser. Und wenn der Mensch nicht eingreife, würde das verheerende Auswirkungen haben.

Entsprechend ist die als normal geltende Sicht auf Bakterien, Viren oder Parasiten, dass es sich um ganz widerliche „Waffen“ der Natur handele. Einen solchen „Angriff“ müssen wir selbstverständlich mit Gegenangriffen bekämpfen, um als Spezies zu überleben. Dass diese „Waffen“ der Natur für uns nicht unmittelbar sichtbar sind, macht sie noch heimtückischer.

Ich persönlich habe vor Viren und Bakterien relativ wenig Angst. Das dürfte in erster Linie der Tatsache zu verdanken sein, dass meine Mutter keine Angst davor hatte. Mir wurde eine entsprechende Angst daher nie, auch nicht unterschwellig, anerzogen.

Hinzu kommt aber, dass ich immer schon auch eine andere Stimme in mir gehabt habe. Die Stimme, die die Theorien Darwins bereits als Kind unlogisch fand. Die Stimme, die mir sagt „du bist ein Teil der Natur, und nicht GETRENNT von dieser„. Die Stimme, die dankbar ist für all wundervollen Gaben der Natur, und traurig, dass Menschen diese Gaben so wenig würdigen und stattdessen so oft zerstören. Weil sie meinen, die Erde wäre ihr „Untertan“.

Und diese Stimme wird lauter, je älter ich werde.

Das Gefühl der Trennung von der (als tendenziell böse wahrgenommenen) Natur ist aus meiner Sicht wesentlich ein Erbe der großen patriarchalischen Religionen und deshalb so verbreitet und auch in meinem Unterbewusstsein verankert. Darwin hat diese Religionen im Grunde durch einen neuen Mythos ersetzt und seine Ideen kamen (und kommen) bestimmten Interessen entgegen. Das macht seine Theorien vermutlich so langlebig. Sie wurden interpretiert als „survival of the fittest“, dienten der Rechtfertigung des „Rechts des Stärkeren“ und der Idee, dass es in dieser Welt zuvörderst um Konkurrenz und nicht um Kooperation geht. All das passte (und passt) in eine kapitalistische Welt.

Inzwischen gibt es zu meiner Freude jede Menge Bücher und Filme, die auf der Grundlage entsprechender Forschung, zeigen, dass in der Natur Kooperation evolutionär der wichtigere Faktor zu sein scheint. Und auch entsprechend verbreitet ist. Wir nur bisher zu selten den Blick dorthin gerichtet haben. Auch der Mensch ist ja, wie man inzwischen weiß, ein komplexes Kooperationssystem, das mehr Bakterien und sonstige Mikroorganismen beherbergt, als „eigene“ Zellen. Und ohne Bakterien auch gar nicht lebensfähig wäre.

Weil wir aber wissen, dass Bakterien auch krank machen können, sind wir ihnen gegenüber nicht etwa dankbar, sondern pauschal negativ eingestellt. Dabei ist bekannt, dass nicht ein Bakterium (oder Virus), sondern die Umgebung, die wir ihm bieten, bestimmt, ob (und wie sehr) es uns „krank macht“ oder nicht.

Aus meiner Sicht wäre es deshalb unbedingt sinnvoll, nicht ein Bakterium (oder Virus) zu „bekämpfen“, sondern für eine der Gesundheit förderliche Umgebung zu sorgen. Immer und überall. Aus meiner Sicht wäre es der Menschheit dienlich, den Fokus nicht auf das „gegen“, sondern auf das „mit“ zu legen. Mit der Natur. Und nicht mit riesigem Aufwand dagegen. Auch bei Corona.

Aus der gängigen Weltsicht heraus, befindet sich der Mensch in einem ständigen Überlebenskampf sowohl untereinander wie mit der Natur. Den Kampf mit der Natur hat er bisher nur deshalb überstanden, weil er dieser Natur kraft seiner Geistesgaben (wo auch immer die bei einem „Zufallsprodukt“ herkommen…;-)) überlegen sei. Das Virus ist nach dieser Wahrnehmung ein bedrohlicher Angriff aus der unberechenbaren und tendenziell feindlichen Natur, den man unbedingt „unter Kontrolle bekommen“ müsse.

Meine Sicht, wonach es eine Illusion ist, dass man ein Virus „unter Kontrolle bekommen“ könne, sondern mit ihm leben müsse, macht deshalb Angst. Das verstehe ich jetzt besser. Und auch, warum es der Politik in dieser Situation so schwer fällt, Hilflosigkeit und Ratlosigkeit zuzugeben. Das Gefühl von „Kontrollverlust“ weckt bei vielen Urängste. Die Illusion von Kontrolle ist bei den meisten von uns in fast jedem Lebensbereich erstaunlich ausgeprägt. Und ich verstehe, dass es beängstigend ist, wenn diese Illusion zerstört wird.

Mein Wunsch, statt einen Virus „zu bekämpfen“, den Fokus der Maßnahmen darauf zu legen, das Immunsystem des potentiellen „Wirts“ und die Natur zu stärken (indem man in diese weniger eingreift), das hieße wohl quasi „Kapitulation vor dem Feind“: Anzuerkennen, dass wir ein Teil der Natur sind, und es ein Irrweg sein könnte, sich die „Erde untertan zu machen“, weil der Mensch damit auf längere Sicht seine eigenen Lebensgrundlagen zerstört. Das wäre nicht einfach nur eine andere Corona-Politik, das wäre Revolution. Denn es wäre genau das Gegenteil von allem, was wir jetzt tun.

Keine Maßnahmen „gegen“ das Virus, sondern stattdessen Maßnahmen FÜR das Leben zu ergreifen, ist in der gängigen darwinistischen Weltsicht keine Option. Das wird mir inzwischen klar. Auch, dass die überwiegende Zahl der Menschen Maßnahmen einfordert, weil sie ihnen ein Gefühl der Sicherheit in einer als bedrohlich empfundenen Lage geben. Sie WOLLEN, dass der Staat, dass die Regierenden für sie „sorgen“. Und während ich sowohl die Masken, als auch die Schließung von Kulturstätten, die Verhinderung von Berufsausübung in vielen Branchen, von Tourismus, von Feiern (im Freien; gegen ein Feuerwerksverbot hätte ich allerdings nichts ;-)) oder Präsenzseminaren, das Schließen von Sportstätten, Cafés, usw. als „gegen das Leben“ empfinde – und damit als kontraproduktiv, sehen sie sie als wichtige Maßnahmen „gegen das Virus“. Und die Lage als so gefährlich, dass man keine Zeit verlieren dürfe, indem man erst lange das Für und Wider abwägt.

Die Haltung gegenüber „Autoritäten“

Viele suchen in dieser von ihnen als sehr beängstigend empfundenen Situation einer unsichtbaren Bedrohung, die jederzeit „zuschlagen“ kann, nach Leitlinien und Halt. Sie sind daher dankbar, wenn es „Expert*innen“ gibt, die diesem Wunsch nach Leitlinien nachkommen, und Regierende, die sich sicher zu sein scheinen, welchen „Expert*innen“ man vertrauen kann und welchen nicht.

Dass man seinen eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen nicht vertrauen dürfe, sondern „Expertenwissen“ höher zu schätzen habe, ist in unserer Gesellschaft ohnehin Konsens.

Mir allerdings kommt eine solche Sichtweise so vor, als wäre ich einer Kirche gelandet, die von mir verlangt, das „überlegene Wissen ihrer Priester“ unhinterfragt zu akzeptieren. Und auch die Bewertung ohne wenn und aber zu akzeptieren, welche Priester*innen die „Wahrheit“ verkünden, und welche „Sektenführer*innen“ seien, die man meiden müsse.

Nur, ich mag das nicht einfach so akzeptieren. Viele Menschen finden es normal und selbstverständlich, „Obrigkeiten“ und „Autoritäten“ bedingungslos zu vertrauen. Andere sind da aus biografischen oder sonstigen Gründen weitaus kritischer. Bei mir ist es im Wesentlichen meine langjährige Beschäftigung mit Medizin. Bei der ich immer wieder darauf gestoßen bin, wie sehr hier finanzielle Interessen eine Rolle spielen, wie oft Verflechtungen und Interessen das Handeln bestimmen, und nicht der Leitsatz des Gemeinwohls. Das hat nichts damit zu tun, dass die Handelnden schlechte Menschen sind, sondern mit dem Bezahlungssystem in der Gesundheitspolitik und dem erheblichen Einfluss der Pharmaindustrie auf diesem Gebiet. Daher ist es für mich normal, mir medizinische Ratschläge immer auch unter diesem Gesichtspunkt anzuschauen und mir in jedem Fall verschiedene Meinungen und Experten anzuhören.

Ich vertraue nicht bedingungslos und entsprechend empfinde ich es als anmaßend und bevormundend, wenn Regierende sich wie „Eltern“ gerieren, die tief in mein Leben eingreifen und mir (notfalls mit Zwangsmitteln) sagen, was ich zu tun und zu lassen habe, mit der Begründung, dies sei „alternativlos“. Insbesondere dann, wenn sie behaupten, mich und alle anderen damit vor einer Gefahr schützen zu wollen, die ich als medial aufgebauscht und in Teilen konstruiert empfinde. (Dass ich das so empfinde, liegt natürlich auch an meiner grundsätzlich kritischen Haltung zu „Obrigkeit“.) Dann läuten bei mir Alarmglocken. Während andere diesen erzwungenen Schutz als fürsorglich ansehen und mich als „verantwortungslos“. Und vielleicht sehe ich mich hier auch tatsächlich zu wenig in der Verantwortung für andere.

Natürlich bin ich hier zudem auch inkonsistent. Denn auf anderen Gebieten hätte ich durchaus gerne mehr staatliche Eingriffe: Zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, damit dieser Planet auch künftig lebenswert bleibt. Nicht Eingriffe in das Leben Einzelner, sondern (weltweite) Vorgaben an die Wirtschaft, diesen Planeten nicht zu zerstören. Notfalls finanziell abgefederte Vorgaben. Corona zeigt für mich, hier geht Einiges, wenn man es denn politisch will.

Die Frage der Spiritualität

Hinzu kommt, dass die meisten Menschen (Darwin folgend) an eine zufällige Evolution glauben. Aus meiner Sicht tun sie das nicht, weil dies irgendwie wahrscheinlich wäre (das sich etwas so Komplexes, wie ein Mensch „zufällig“ gebildet hat, ist mathematisch unmöglich), sondern weil ihnen alles andere zu sehr nach den Religionen klingt. Und die hatten sie als aufgeklärte Menschen hinter sich zu lassen geglaubt. Die heutige Wissenschaft definiert sich geradezu aus dieser Abgrenzung heraus. Das hat Folgen für die Sicht auf das eigene Leben, auf den Tod und auch auf diese Welt, der man damit natürlich nicht trauen kann. Und es hat Folgen dahingehend, dass man die eigentlichen Fragen des Lebens nicht oder kaum erforscht, sondern sich auf die messbare Materie fokussiert, obwohl diese in unserem Universum eine geringe Rolle spielt.

Menschen wie ich, die sich und die Welt nicht als reine Zufallsprodukte ansehen, folgen offensichtlich einer Weltsicht, die so etwas wie Spiritualität zulässt und einbezieht. DAS aber will man in weiten Teilen von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft unter gar keinen Umständen. Die scharfe Abgrenzung zu „Esoterik“ ist für viele Wissenschaftler*innen Grundbedingung der Wissenschaftlichkeit. Also werden Menschen wie ich zu „esoterischen Spinnern“. Weil man uns als genau solche sieht. Wir weichen ab von einem langjährigen Konsens. Dass es auch mehr und mehr Wissenschaftler*innen gibt, insbesondere solche, die sich mit Quantenphysik beschäftigen, die diese Abgrenzung für veraltet halten, macht es aus der Sicht der Konservativen in der Wissenschaft nicht besser, vielleicht sogar eher noch schlimmer.

Denn in der gängigen Weltsicht gilt „Abgrenzung“ als positiv. Sie sieht es deshalb als normal und sogar als wichtig an, sich auch von Menschen abzugrenzen. Von Menschen mit „falschen“ Meinungen. In der spirituelleren Weltsicht hingegen gilt Trennung tendenziell als Illusion und das ständige Abgrenzen und gegenseitige Bekämpfen und Bekriegen als Irrweg.

Schuldzuweisungen

Das führt zu dem Punkt, der mir an der Corona-Geschichte überhaupt nicht gefällt: Durch das Narrativ, wir könnten das Virus „unter Kontrolle bekommen“, entsteht eine Art Zwang, Schuldige zu suchen, warum das denn immer noch nicht geklappt hat mit der Kontrolle. Ob „Maskenverweigerer“, die angeblich „den Tod anderer in Kauf nehmen“ oder „menschliches Versagen“ bei Ausbrüchen in Pflegeheimen, das „es nicht geben dürfe“. Gerade auch Politiker*innen sind hier mit „Schuldzuweisungen“ alles andere als zimperlich.

Dass nach den bisherigen Großdemonstrationen ohne Maske die Infektionszahlen nie signifikant stiegen, will niemand wissen. Dass man mit Schuldzuweisungen in Pflegeheimen nicht nur Menschen beleidigt, die sich meist aufopferungsvoll um andere gekümmert haben, sondern auch noch Gefahr läuft, dass Infektionen aus Angst vor Strafe und Stigmatisierung wohlmöglich verschwiegen werden, auch nicht.

„Schuldige“ zu haben, beruhigt die Menschen anscheinend. Es eröffnet die Möglichkeit, alles wäre „gut“, gebe es nur nicht diese Querulanten. Damit dürfen diese ihre andere Meinung auch selbstverständlich nicht sozial ungestraft verbreiten. Wer das tut, läuft Gefahr, ausgegrenzt und seiner Karriere und Freundschaften beraubt zu werden, denn er oder sie wird damit zu den „Schuldigen“ gezählt (vgl. zu diesem Punkt auch meinen kleinen Beitrag „Meinungsfreiheit…“).

Natürlich stört mich dieses „Schuldige“ suchen der anderen Seite genauso. Plakate mit Drosten, Gates oder sonstigen in Sträflingskleidung finde ich ebenso daneben, wie die Bezeichnung von Politiker*innen und Journalist*innen als „Verbrecher“.

Und ich glaube auch nicht, dass die verbreitete Hoffnung auf die „erlösende“ Impfung als Folge einer „Verschwörung“ einer Elite oder als Versuch, eine „Diktatur“ zu errichten, zu bewerten ist. (Meine Haltung zum Impfen allgemein siehe „Ein kleiner Pieks…“)

Das politische Handeln folgt vermutlich schlicht und einfach einer Weltsicht, die ich persönlich für veraltet halte. Und die aus meiner Sicht deutlich mehr den Interessen des globalen Kapitals, als denen der Menschen dient. Die aber die Weltsicht ist, der derzeit noch der weit überwiegende Teil der Menschen zu folgen scheint.

Ich bin überzeugt, dass sich das ändern wird. Dass wir uns derzeit in einer Phase des Übergangs befinden, die vielleicht auch dazu führt, dass gerade besonders hart gekämpft wird um Deutungshoheiten. Wenn langjährige „Gewissheiten“ plötzlich gar nicht mehr „gewiss“ erscheinen, wächst logischerweise die Unsicherheit. Einige versuchen, sich das zunutze zu machen, andere haben einfach Angst. Und wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Und ich persönlich habe mit dem Wort „sollen“ ein Problem … .

P.S.: Mein Lieblingszitat aus der Bibel ist übrigens „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“.