abgelehnt

„Du blöde Kuh! Hättest du nicht aufpassen können?! Nutzloses Flittchen!!! Du hast mir schon immer nichts als Kummer bereitet… . “ Die Worte der Mutter dröhnten in ihrem Kopf.

So, als ob sie gerade eben von ihrer Mutter so ausgesprochen worden wären … .

Noch allerdings wusste diese gar nichts von dieser Katastrophe. Aber Annegret war sich hundertprozentig sicher, dass ihre Mutter genau so reagieren würde, sobald sie davon erführe.
Sie hatte ihrer Mutter noch nie irgendetwas recht machen können. Stattdessen immer wieder für Erzählstoff gesorgt, was für eine Last sie sei.

Und nun das!! Verdammter Mist!!! Was sollte sie nur tun?!

Der Typ war nett gewesen, keine Frage. Aber wenn sie nicht leicht angeschickert gewesen wäre und sich gerade an dem Abend so besonders nähebedürftig gefühlt hätte, dann hätte sie niemals … mit DEM … . Der war zwar nett und durchaus gutaussehend, hatte aber nicht einmal einen Schulabschluss. Kein Geld und auch sonst nichts zu bieten.

Wieso musste es auch ausgerechnet ihr passieren, dass sie dann gleich schwanger wurde?! Sie hatte einfach nichts als Pech im Leben!

Für ihn war die Heirat „Ehrensache“. Für sie die einzige Möglichkeit, dem vernichtenden Urteil ihrer Mutter zu entkommen. Der Mutter, der sie es so gerne endlich mal „gezeigt“ hätte!

Mit der Heirat platzten all ihre Träume. Ihre Träume von Karriere, von Status, von Reichtum.
Wenn nur dieses Wesen in ihrem Bauch nicht wäre! Alles hätte so anders kommen können!
Ihre gesamte Schwangerschaft über haderte sie mit diesem Wesen.

Und dessen Seele vibrierte sanft vor Schmerz.

Müde sah er seine Psychotherapeutin an: „Ich habe das Gefühl, mein ganzes Leben lang nur gekämpft zu haben. Gekämpft um Liebe. Aber was ich auch tat. Es war nie genug.
Stets fühlte ich mich abgelehnt.“


Ein Beitrag zu den abc-Etüden, deren aktuelle Schreibeinladung hier https://365tageasatzaday.wordpress.com/2022/04/03/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-14-15-22-wortspende-von-katha-kritzelt/ zu finden ist.