Medikamente

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Wer eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert bekommt, beginnt meist eine Medikamenten“karriere“. Da die Ursachen dieser Erkrankungen unbekannt sind, wird versucht, medikamentös die immer wiederkehrenden Entzündungen zu unterdrücken, um so die Lebensqualität der Patient*innen zu verbessern.

Ich bekam nach Diagnosestellung damals Cortison und / oder Diclofenac in den Krankheitsschüben. Irgendwann dann gab es die Empfehlung, unbedingt ein sogenanntes „Basismedikament“ zu nehmen. Also ein Medikament, das als „Basis“ dauerhaft genommen werden soll, um das Immunsystem zu unterdrücken (in der Hoffnung, so die fortschreitende Zerstörung der Gelenke aufzuhalten oder zumindest zu verzögern). Und das „bei Bedarf“ mit Cortison und / oder Diclofenac ergänzt werden soll.

„Mein“ erstes „Basismedikament“ war Ciclosporin. Ein Mittel, das aus der Transplantationsmedizin stammte, wo es durch Unterdrückung des Immunsystems dafür sorgen sollte, dass das transplantierte Organ nicht abgestoßen wird. Ich war damals noch verhältnismäßig jung und verspürte (vermutlich auch dank meines – abgesehen vom Rheuma – damals eigentlich relativ guten körperlichen Zustands) keine sonderlichen Nebenwirkungen. Allerdings blieben auch die Wirkungen hinsichtlich einer Reduzierung der Entzündungen meiner Sehnen und Gelenke mehr oder weniger aus.
Irgendwann wurde dann umgestellt auf Methotrexat. Ein Zytostatikum (Zellgift), das (in entsprechend höherer Dosierung aber deutlich kürzerem Einnahmezeitraum) bei Krebserkrankungen als Chemotherapie eingesetzt wurde.
Ich nahm dieses Zellgift viele Jahr ein bzw. spritzte es in meinen Körper. Die ersten Jahre reduzierte es die Entzündungen deutlich. Danach nahmen die Entzündungen in meinem Körper wieder zu – und die für Zytostatika typischen Nebenwirkungen, wie Übelkeit, nahmen ebenfalls kontinuierlich zu. Ich nahm das Zeug immer Freitags, um die zwei Tage anschließender Übelkeit am Wochenende zu haben, damit ich Montags wieder arbeitsfähig wäre. Meine Lebensqualität stieg nicht … , denn jedes Wochenende in den Seilen zu hängen, dann fünf Tage anspruchsvolle Arbeit und überhaupt keinen Erholungstag zu haben, war nicht so toll. Ich versuchte, auf 80 % Arbeitszeit zu reduzieren, was damals noch nicht so einfach war. Der begutachtende Arzt lehnte ab. Wie ich später erfuhr, war seine Motivation, meine Selbstausbeutung (zugunsten anderer) nicht zu fördern. Denn seine Begründung war gewesen: „So, wie die gestrickt ist, mit ihrem Engagement; würde die bei einer Reduzierung trotzdem 100 % Arbeitsleistung erbringen, aber für nur 80 % Gehalt. Die würde sich nicht erholen dadurch, sondern im Grunde nur selber schaden.“ Eine Einschätzung, mit der dieser Arzt wohl ziemlich gute Menschenkenntnis zeigte … 😉.
Irgendwann überwogen die Nebenwirkungen des MTX dann so deutlich die kaum noch vorhandene entzündungsunterdrückende Wirkung, dass das Zeug abgesetzt wurde.
Und man versuchte seitdem, mir ein gerade ziemlich neu auf den Markt gekommenes „Biological“ „schmackhaft“ zu machen. Eines der ersten seiner Art.
Und eine Zeitlang das umsatzstärkste Medikament der Welt.

Biologicals sind diese spätestens seit Corona äußerst beliebten biotechnologisch (meist mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen) hergestellten Medikamente. Ziel war, gezielt Botenstoffe des körpereigenen Immunsystems zu blockieren.

Diesmal stimmte ich nicht mehr einfach zu, sondern sah mir Studien zu diesem Medikament an. Und war wenig überzeugt.

Aber irgendwann waren die Entzündungen wieder so schlimm, dass ich mich überreden ließ.
Ich war beruflich stark eingebunden, hatte in der Phase nicht die Zeit, mich eingehend um Alternativen kümmern zu können. Und von Seiten aller befragten Rheumatolog*innen wurde mir auch nichts anderes angeboten, sondern (auch von mir persönlich sehr sehr geschätzte) Ärzt*innen empfahlen alle dieses Mittel.

Wie bei MTX waren auch unter dem Spritzen dieses Mittels die ersten Jahre die Entzündungen tatsächlich deutlich reduziert. Und es ging mir verhältnismäßig gut.

Und dann wurde es ziemlich furchtbar. Die Entzündungen stiegen wieder deutlich an, und gleichzeitig verfiel mein Körper mehr und mehr. Ich schleppte mich auf dem Zahnfleisch zur Arbeit, musste aber irgendwann einsehen, dass es nicht mehr ging. Mir war ja von der Schulmedizin von Anfang an vorhergesagt worden, dass ich mit dieser aggressiven Erkrankung nicht bis zur normalen Altersruhegeldgrenze würde arbeiten können; und ich war durchaus stolz darauf, dass ich ihre Vorhersagen, wie lange ich würde arbeiten können, um viele Jahre übertroffen hatte (warum auch immer ich meinte, „stolz“ darauf sein zu müssen, mich einige dieser Jahre sehr gequält zu haben, indem ich in sehr schlechtem Zustand zur Arbeit humpelte).

Ich hatte anscheinend eine Allergie gegen dieses Medikament entwickelt, was meinen Körper in eine Abwärtsspirale katapultierte. Die Rheumatologen wollten auf ein anderes Biological wechseln, also jetzt einen anderen Botenstoff meines Immunsystems blockieren (inzwischen gab es immer mehr Auswahl an diesen Medikamenten).
Was ich verweigerte.
Ich hatte einige Jahre zuvor, zu einer Zeit, wo es mir verhältnismäßig gut ging, nebenberuflich einen Heilpraktikerschein (zur Erleichterung meiner Selbsttherapie) gemacht. Und das erleichterte mir dann auch die Entscheidung, abzusetzen. Vielleicht reagierte ich damals mit dieser Entscheidung insofern über, weil ich nicht mit Cortison abpufferte, sondern komplett absetzte. Alles an Schulmedizin.

Die heftigen eklig riechenden Nachtschweiße mit klitschnassen Schlafanzügen und der Gewichtsverlust, die bereits unter dem Biological eingesetzt hatten, nahmen nochmals deutlich zu. Irgendwann vor jetzt etwas über zwei Jahren (ich habe ein eher schlechtes Zeitgedächtnis, Zeitangaben sind bei mir immer relativ, es kann auch länger her sein) war ein schon längere Zeit geschwollener Lymphknoten in meiner Leiste auf etwa Tischtennisballgröße angeschwollen. Der Fuß auf der Seite war so voll Wassereinlagerungen, dass er aussah, wie ein Klumpfuß. Ich ging natürlich nicht zum Arzt. Eine Biopsie hätte ich abgelehnt. Zumal ich, wenn ein Lymphom diagnostiziert worden wäre, der dann empfohlenen Therapie ohnehin nicht zugestimmt hätte.

Tatsächlich war ein Lymphom ja nicht unwahrscheinlich. Nicht nur wegen der B-Symptomatik.
Zytostatika haben nicht selten solche Neben- / Spätwirkungen, und ich hatte sie viele Jahre eingenommen / gespritzt. Das eingenommene / gespritzte Zellgift war ja noch im Körper, denn durch das nachfolgende Spritzen des Biologicals hatte ich meinem Körper die Möglichkeit der Entgiftung genommen.
Das Biological war ein TNFalpha-Blocker. Der Name sagt es schon: einen „Tumornekrosefaktor“ zu blocken, erhöht logischerweise die Tumorgefahr.
Als ich den Arzt, der mich zu der Spritze überredet hatte, damals genau darauf angesprochen hatte, war seine Antwort gewesen, dass mein Tumorrisiko aufgrund meiner Grunderkrankung doch sowieso deutlich erhöht sei.
Ja, genau deshalb war es vermutlich keine so gute Idee, dieses Risiko mit einem solchen Medikament nochmals deutlich zu erhöhen…. .

Abgesehen davon, dass der tiefe Eingriff in ein nicht verstandenes Immunsystem, das Blocken von Botenstoffen, deren Gesamtaufgabe man gar nicht kennt, ohnehin keine gute Idee ist; denn es ist klar, dass so etwas zu vielfachen unerwünschten Nebenwirkungen führt.

Und dieses das körpereigene Immunsystem unterdrücken oder irgendwo „gezielt“ zu blockieren, ist ja ohnehin keine Therapie. Sondern etwas, von dem eigentlich völlig klar ist, dass es schädlich ist.


Nun kann man sich fragen, wie bescheuert frau / man sein muss, wenn ich – wissend um all diese Risiken und Ungereimtheiten; wissend, dass da nichts mit Heilung war an diesen Medikamenten; sondern im Gegenteil Schädigung meiner Zellen wahrscheinlich war – mich trotzdem auch noch zu diesem Biological habe überreden lassen.   

Ja, es war bescheuert. Aber ich glaube, wenn ich es nicht ausprobiert hätte, hätte ich damals lange das Gefühl gehabt, womöglich doch eine Chance verpasst zu haben, die Entzündungen dauerhafter zu reduzieren.
Und selbst, wenn ich selber dieses Gefühl nicht gehabt hätte, wäre es mir bei vielen (und solange ich noch arbeitete, schon wegen erforderlicher Krankschreibungen nicht zu vermeiden gewesenen) Arztbesuchen immer wieder vorgehalten worden, dass ich ja die vielversprechendsten Mittel gar nicht ausprobiert hätte; und was ich dann überhaupt wolle.
Ich hätte mich immer wieder bei Ärzten und auch bei anderen Bekannten, die von diesen Therapien gehört haben, rechtfertigen müssen, dass ich ja sozusagen selbst billigend in Kauf nehmen würde, wenn es mir schlechter geht, denn diese tollen Mittel hätte ich ja verweigert.
Und wenn es einem ohnehin schlecht geht, ist der Druck, der durch so etwas aufgebaut wird, nichts, was den eigenen Zustand verbessert… .
Und, wenn es einem schlecht geht, vermag frau / man Druck auch kaum etwas entgegen zu setzen. Denn dazu braucht es Kraft, die aber genau in solchen Zeiten ohnehin kaum da ist.
Und sie alle hätten mir immer wieder in den schlimmsten Farben ausgemalt, was ich alles „ganz sicher“ für schlimme körperliche Folgen zu erwarten hätte, wenn ich keine schulmedizinischen Medikamente nehme. Und sie hätten mir in den blumigsten Farben geschildert, welch gute Wirkungen diese Biologicals hätten, und was für tolle Erfahrungen ganz viele Patient*innen damit gemacht hätten.

Und von all den Patient*innen, denen es nach einigen Jahren „tollen Erfahrungen“ mit diesen Medikamenten furchtbar beschissen ging, hätten sie geschwiegen.
Oder sie hätten nie etwas von ihnen gewusst.
Und von denen, von denen sie es nicht vermeiden konnten, es zu wissen, hätten sie mir erzählt, dass es denen aber „ganz sicher“ noch viel beschissener gehen würde, wenn sie keine schulmedizinischen Medikamente genommen hätten … .    

Fortsetzung folgt.

Veröffentlicht von Die Rückkehr der Liebesgöttin

Stimme der Liebesgöttin. Der das Lachen leider ziemlich vergangen ist. Schon lange ist sie fast nur noch ernst. Meine Texte sind immer tiefgründig, niemals eindimensional und sie lohnen das wiederholte aufmerksame Lesen.

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9 Comments

  1. Scheußlich. ich hoffe in der Fortsetzung auf eine positive Wendung und ein Happy-end, liebe Maren! 🏃‍♀️Ich war einmal in Sri Lanka zur Ayurveda-Behandlung, da gab es etliche Patienten aus D mit Autoimmunerkrankungen, die sich Erleichterung erhofften.

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    1. Liebe Gerda, auch dir ganz herzlichen Dank für dein Mitfühlen! Ich habe auf Lu`s Kommentar schon gerade geantwortet, was meine Motivation für diesen sehr persönlichen Beitrag ist. Ayurveda schätze ich auch sehr. Und ich glaube auch, dass insbesondere meine erste Ayurvedakur damals dazu beigetragen hat, das Fortschreiten der Erkrankung damals zu verlangsamen.
      Herzliche Grüße
      Maren

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    1. Lieber Lu, vielen lieben Dank für dein Mitfühlen!!! Das ich sehr zu schätzen weiß,; wobei meine Motivation für diesen Beitrag nicht „fishing for compassion“ 😉 war. Mir geht es darum, mehr Verständnis zwischen Menschen und verschiedenen Meinungen und Sichtweisen von Menschen zu schaffen. Ich schreibe ja immer, dass ich es hilfreich finde, dafür auch die Hintergründe zu erläutern, warum jemand zu einer bestimmten Sichtweise gekommen ist. Dass da oft sehr persönliche Erfahrungen dahinter stehen. Ich hoffe, damit dazu beitragen zu können, dass Menschen aufhören, die mit anderen Meinungen, zu bestimmten Angeboten der Schulmedizin, wie z.B. zu den Impfungen, als „böse“ anzusehen. Dass sie akzeptieren können, dass es nun einmal Menschen gibt, die mit schulmedizinischen Medikamenten schlechte Erfahrungen gemacht haben, und die gerade diese „modernen“ Medikamente keineswegs immer für einen Segen halten.
      Herzliche Grüße 💖
      Maren

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      1. Mir macht Sorgen, liebe Maren, dass die megavielen Nebenwirkungen immer unüberschaubarer werden. Und wer ließt schon die Beibackzettel, das sind ja jedesmal halbe Bücher!
        Dankeschön für dein feinen Post 🙂
        Herzlichen Gruß vom Lu

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        1. Herzlichen Dank dir für deine liebevollen Kommentare, lieber Lu! Ich lese die Beipackzettel ja immer, aber was nützt das? Es ist halt immer die Frage, ob es Alternativen gibt. Und das ist im medizinischen Bereich nicht so einfach zu beurteilen. Ich kann für mich persönlich sagen, „ich will keine Chemo o.ä.“ . Denn dann ist es MEINE Verantwortung. Für andere kann ich das nicht. Ich werde in dieser Beitragsreihe noch ein wenig beschreiben, was ich für mich stattdessen gemacht habe. Aber aus meiner Sicht ist das immer individuell zu beurteilen.
          Und der alternative Weg ist (bisher) insofern immer der anstrengendere, weil frau sich selber kümmern muss, und im Grunde komplett selber die Verantwortung für sich selbst übernimmt. Denn, wie ich in meinem heutigen Post auch nochmal geschrieben habe, gibt es vom Medizinsystem keine Unterstützung dafür (es gibt einzelne Ärzt*innen, die so etwas unterstützen; aber im Gesamtsystem – und auch oft im eigenen Umfeld – stößt frau damit auf Ablehnung und manchmal sogar heftige Empörung; und dieses sich alleine gelassen oder gar abgelehnt zu fühlen, kann die Erkrankung dann eben auch noch verschlechtern.)
          Herzliche Grüße 💖🤗
          Maren

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