Die Spiele – Eine symbolische Betrachtung

gefertigt von Dörte Müller

„Die Spiele sind eröffnet.“ hieß es vom japanischen Kaiser.

Die Worte wurden von ihm gesprochen mit einer Maske vor seinen Atemorganen.

Auf mich wirkte das Ganze bizarr. Das große Stadion nur von einer sehr geringen Anzahl Menschen gefüllt, – alle mit Maske. Die Athlet*innen, die fahnenschwenkend ins Stadion einliefen, – ebenfalls ausnahmslos mit Maske vorm Gesicht. Zuvor eine große Inszenierung zur Eröffnung, die kaum jemand im Original sehen konnte, und die vielleicht auch kaum noch jemanden wirklich interessierte, trotz all der Arbeit und Kreativität, die darin steckte. Der Kreativdirektor ohnehin kurz vorher gefeuert wegen irgendeines „humoristischen“ Fehltritts, den er vor zwanzig Jahren begangen haben soll. „Schuld“ wirkt offenbar ewig nach dem Denken, das damit ausgedrückt wird, verzeihen gibt es nicht.

Die Maske hat für mich ja eine äußerst interessante Symbolik: Sie blockiert den Fluss des Atems – und damit den Fluss des Lebens. Atmung ist Leben.

Mit jeder Einatmung nehmen wir Leben in uns auf. Mit jeder Ausatmung geben wir Verbrauchtes, Totes aus uns ab.

Die Maske erschwert die Einatmung des Frischen und zwingt die Träger*innen, einen Teil des Verbrauchten, Toten wieder einzuatmen.
Sie huldigt so dem Todesprinzip.

Und so wirkt(e) auch die ganze Veranstaltung auf mich. Als huldige man hier etwas eigentlich Totem. Auch die lebendige Energie, die bei den Wettkämpfen durch die Zuschauer*innen hätte kommen können, hat man unterbunden, die Stadien sind weitgehend leer.

Also fragte ich mich, wofür stehen die Olympischen Spiele als solche? Was ist hier (symbolisch) im Sterben begriffen?
Körperkult? Auch. Vor allem aber steht Olympia symbolisch wohl für „Höher, schneller, weiter“. Für Konkurrenz und Wettkampf. Für ein sich gegeneinander messen.
Und längst auch: Für Sponsoren, Fernsehrechte und aussagelose Interviews.

Ist das noch lebendig? Nein, ich denke, das hat sich tatsächlich überlebt. Das sich immer weiter schraubende „höher, schneller, weiter“. Das Denken in Konkurrenz. Das Gegeneinander.
Konkret bezogen auf Olympia (und Fußball) auch: Die Verflechtung von Sport und Spaß mit finanziellen Interessen. Immer größer werdende Institutionen mit immer mehr „Funktionären“. Der Missbrauch des Sports für Werbezwecke. Exklusive Fernsehrechte und nutzlose Interviews ohnehin.

Dass „das normale Volk“ bei der Eröffnungsfeier (und auch sonst) bei der in dieser Form sterbenden Veranstaltung ausgesperrt war, – aber Politiker, wie Macron und Jill Biden dort waren, selbstverständlich mit Maske, hatte für mich insofern eigentlich eine fast angenehme Symbolik. Spitzenvertreter von zwei Nationen, die dazu neigen, sich (bzw. die „Eliten“ des eigenen Landes) als „Weltführer“ zu sehen.
Diese Annahme einer Art Weltführerschaft ist ein Denken, das mir im Vergangenen und tatsächlich auch im Vergehen zu sein scheint, auch wenn es derzeit noch überall sehr sichtbar ist.
Es ist ein Denken, anderen Menschen von oben herab und mit Zwang diktieren zu dürfen, wie sie zu leben und zu handeln haben.
Es ist ein Denken, das immer zentralistischer und zwanghafter wurde (und wird) – und deren Institutionen und Organisationen materiell immer reicher, immer größer und gleichzeitig immer sinnentleerter wurden und werden.

Auf einer unterschwelligen Ebene zeigt(e) die Veranstaltung für mich symbolisch sehr eindrucksvoll das Sterbende dieses Denkens. Auch das Sterbende dieser Art Institutionen und dieser Art Politik.

Olympia findet im Land der aufgehenden Sonne statt. Ein Symbol, dass gleichzeitig zu dem Sterbenden längst etwas Neues heraufdämmert?

Ich finde es wunderschön, zu sehen und zu lesen, was sich derzeit überall im Kleinen an Neuem entwickelt. An Lebendigem. Wie viele Projekte es gibt von Menschen, die regionale Lebensmittel mit lebendiger Energie anbieten (oder für sich selbst anbauen), statt weitgereister in Plastikfolie eingeschweißter toter Nahrung. Die sich um echten Umweltschutz vor Ort kümmern. Die sich für Wald und Auen und Blühwiesen einsetzen. Denen es nicht um finanziellen Reichtum geht, sondern um ideellen. Die ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaftssystem anstreben.
Die miteinander arbeiten und nicht gegeneinander. Die keine Neiddebatten führen, sondern sich gegenseitig helfen und unterstützen. Die kreativ sind und nach neuen ganzheitlichen Lösungen suchen. Die neue Ansätze für eine humanistische Bildung suchen – ebenso wie für ein ganzheitliches und von Pharmainteressen unabhängiges Gesundheitssystem.
Die gegenseitige Wertschätzung und Dankbarkeit sich und der Natur gegenüber zu leben versuchen.

Das Alte, jetzt langsam Sterbende, neigt dazu, von oben herab zu diktieren, auszugrenzen, und mit Zwang zu arbeiten. Je mehr es die eigene Vergänglichkeit spürt, desto größer scheint die Neigung zu Zwang und Druck zu werden.

Das Neue hingegen ist eine organische, lebendige Bewegung, die von Freiwilligkeit ausgeht – und die von unten kommt. Mitten aus der Gesellschaft.

Und anders geht es aus meiner Sicht auch nicht, denn das Lebendige kann sich nur organisch bilden. Von Unten. Ohne Zwang.

Die Politik, wie sie bisher gelebt wurde – und uns bekannt ist, ist dafür nicht geeignet. Sie lebt von Vorgaben von Oben. Wenn sie keine Revolutionen heraufbeschwören möchte, bleibt ihr dabei im Grunde nur, Altes, Bekanntes immer wieder zu wiederholen und nur die technischen Formen anzupassen. „Wohlstand“ „Wachstum“, jetzt eben durch Digitalisierung.

Entsprechend enthalten die Programme aller im BT sitzenden Parteien Worthülsen, die sattsam Bekanntes und im Grunde Verbrauchtes mehr oder weniger elegant zu verpacken suchen. Aber das, was da verpackt wurde, ist eigentlich längst tot. Abgestanden, bereits ausgeatmet. Es hat seinen Lebenssinn verloren.

Neues braucht Frischluft. Neues Denken, neue Herangehensweisen.

Unter dem Deckel des Alten wächst hier bereits Vieles. Und vielleicht braucht dieses Neue sogar einen gewissen Druck zur Entfaltung. Einen Druck, der möglicherweise erstmal eher noch zunehmen wird.

Bis dann das Alte endgültig abgestorben ist und zum Dünger für das Neue werden wird … .

Wem der Text jetzt etwas zu pathetisch klingt: Es ging um Olympia … . Da schien mir etwas Pathos durchaus passend … .😎