Diskussionseinladung: Mitmenschlichkeit; eigene Erfahrungen

Zunächst vielen herzlichen Dank für eure Kommentare zu meinen beiden vorherigen Beiträgen dieser Reihe (hier und hier). Auch diesen Beitrag bitte zuende lesen. Erneut lade ich herzlich dazu ein, eure Gefühle dazu in Kommentaren oder bei mir als Kommentar verlinkten eigenen Beiträgen zu dem Thema zu hinterlassen.

Vorab: Es geht mir in diesem Text darum, gegenseitiges Verständnis zwischen allen Menschen zu fördern. Viele kennen den Spruch, dass es wichtig ist, mal „in den Schuhen des anderen zu laufen“, wenn man / frau dessen Verhalten verstehen möchte. Die wenigen Menschen, die das bisher überhaupt versuchen, tun das nach meiner Erfahrung allerdings nahezu immer nur bei Schuhen, die ihren eigenen irgendwie ähneln.
In ganz andere Erfahrungen / Hintergründe / Verletzungen scheint sich bisher kaum jemand einfühlen zu können.
So dass vielen vermutlich überhaupt nicht bewusst ist, welche Gefühle sie mit eigentlich von ihnen gut gemeinten oder einfach nur achtlosen Handlungen bei anderen auslösen können.
Daher möchte ich MEINE Gefühle und Erfahrungen hier offen schildern:

Ähnlich wie die Demonstrierenden hatte auch ich vor einigen Jahren die AfD noch als „Feindbild“. Denn ich war (und bin es immer noch) im Innern ja das klassische Blumen-Hippiemädchen, das Liebe und Frieden für sich und die ganze Welt will. Und in der AfD war so viel Wut versammelt. Das fühlte sich für mich nicht gut an. Es machte mir Angst.

Als dann diese Corona-Geschichte losging, und plötzlich alle Statements, – von wem auch immer, – die die von der Regierung gefahrene Linie kritisch sahen, aggressiv unterdrückt wurden, gelöscht wurden, einfach plump als „falsch“ erklärt wurden; war ich völlig entsetzt. Nicht „nur“, weil solches Verhalten in einer Demokratie logischerweise ein „no go“ ist und ganz eindeutig gegen das Grundgesetz verstößt (und viel zu viele Jurist*innen dazu schwiegen).
Sondern auch, weil ich dachte: „Was MACHT Ihr da?! Ihr seid doch nicht blöd! Jedem Menschen mit ein bisschen politischem Verständnis MUSS doch klar sein, dass Ihr mit solchem Verhalten ausgerechnet der AfD jede Menge Wähler*innen zuschanzt. Dass IHR der AfD mit EUREM völlig idiotischem, antidemokratischen und dem GG widersprechenden Verhalten den Zugang zu Wählerschichten gebt, an die sie ohne Eure hier absolut antidemokratische (und daher sehr dumme) Politik NIEMALS gekommen wäre! Wie könnt ihr ausgerechnet die AfD dermaßen stärken?!“

Tja, und dann nahm ich bald darauf zur Kenntnis, dass ich auf den Blogs hier angegriffen wurde, weil ich die Corona-Politik der Bundesregierung kritisierte. Und weil die AfD das ja auch tat, würde ich mit meiner Kritik die AfD-Position stärken, also hätte ich gefälligst meine Meinung zu ändern.
Ich hatte das, was ich als sehr intransparente und ans „Hysterische“ grenzende Kommunikation empfand in Bezug auf Corona, direkt zu Beginn bereits kritisch gesehen; zu einer Zeit, als auch die Bundesregierung noch zur Besonnenheit gemahnt hatte, und die AfD (in ihrer sich als Opposition sehenden Rolle) der Regierung vorgeworfen hatte, sie nehme die Gefahr durch das Virus nicht ernst genug. Und auch, wenn ich meine Kritik an der „Hysterie“ und Intransparenz in dieser sehr frühen Phase nicht öffentlich geäußert hatte, kam es MIR bei den Vorwürfen gegen mich so vor, als würden hier Leute meinen, wenn die AfD sich sozusagen meiner Meinung anschließt, müsse ich meine Meinung gefälligst ändern.

Ich erlebte dann aber zu meinem Entsetzen, dass, – nachdem ich von einigen angeschossen worden war, – auch etliche andere hier sich von mir abzuwenden begannen.
Dass also Menschen, die – wie ich – die AfD-Politik nicht gut fanden, weil sie es nicht gut finden, wenn aggressiv gegen andere Menschen geschossen wird; weil ihnen Mitmenschlichkeit und Meinungsfreiheit hohe Güter sind; mir nicht etwa beisprangen (also einen aktiven echten Beitrag zu Meinungsfreiheit und gegen Ausgrenzung leisteten, wie es ja einfach mit einem Kommentar möglich gewesen wäre); sondern sich von MIR abwandten. Von MIR; nicht von denen, die aggressiv gegen einen sehr friedliebenden Menschen, wie mich, geworden waren. Sondern dass sie den Aggressiven eher noch nach dem Mund redeten.  

Letztens las ich in einem „Antifa-Magazin“, das sich nach eigenen Aussagen der „demokratischen Bildung“ widmet, dass die Bewegung der „Pandemie-Leugner*innen“ (was auch immer dieses Magazin mit diesem Begriff sagen möchte), zu einem großen Teil aus Mitgliedern der alten und neuen Friedensbewegung bestünde.

Gleichzeitig wurden und werden diese Menschen, die einfach nur zu vielem eine andere Meinung haben, als die „von Oben“ vertretene Meinung, immer wieder in vielen Medien und auch auf etlichen dieser Blogs hier als „Faschisten“ oder gar „Nazis“ bezeichnet. Und auch in dem betreffenden Magazin schien man diese Menschen tendenziell als „rechtsradikal“ darstellen zu wollen. Mich entsetzt das. Denn: „Nazis“ und „Faschisten“  speisen sich aus Menschen der FRIEDENSbewegung?! Was für ein Geschichtsverständnis ist das denn??!

Vorgeworfen wird ihnen, dass sie sich nicht „abgrenzen“ würden gegen „die Rechten“. Und damit angeblich der AfD Auftrieb geben würden.
Da die AfD (durchaus populistisch) viele Meinungen aufgenommen hat von all denen, die eben nicht den von der Regierung vorgegebenen Meinungen gefolgt waren. Denn als bisher einzig verbliebene Oppositionspartei versucht(e) die AfD logischerweise, aus einer von vielen Menschen getragenen kritischen Haltung gegen Regierungshandeln für sich politisch Kapital zu schlagen.


Wenn also Menschen, die ursprünglich aus einer ganz anderen Ecke kamen, sich plötzlich neben einen stell(t)en, wurde (und wird)  – von der sich an der Macht befindlichen Regierung – als angeblich die „Demokratie Verteidigenden“ von einem verlangt, dass man / frau diese aggressiv wegzuschubsen, zu bekämpfen und zu bekriegen habe. Wer das nicht tue, zeige damit, dass er / sie eine „braune“ Gesinnung habe.
Nun ist FRIEDENSbewegten Menschen, also Menschen, die wahrhaft Frieden leben (und das nicht nur als Lippenbekenntnis vor sich hertragen), zu eigen, dass es ihnen eben gerade ein Herzensanliegen ist, möglichst keinen Menschen zu bekriegen, bekämpfen, wegzuschubsen.

Von Jesus wird gesagt, dass er immer wieder versucht hat, dieses alte furchtbare Denken in „Kontaktschuld“ (dieses „du darfst nicht mit „Sünder*innen“ Kontakt haben, sonst machst du dich selbst der „Sünde“ schuldig und wirst aus unserer Gemeinschaft der angeblich „Guten“ ausgestoßen“), zu durchbrechen.

Indem er genau auf die von der  Mehrheitsgesellschaft als „Sünder*innen“ und „Ausgestoßenen“ abgestempelten Menschen immer wieder zugegangen ist.
Immer wieder genau denen die Hand gereicht hat, die von der Mehrheit ausgegrenzt worden sind.
Menschen damit immer wieder gezeigt hat, was ECHTE Mitmenschlichkeit ist.

Nach meinem Eindruck war Jesus mit diesem Bemühen leider weitgehend erfolglos.


Denn die große Mehrheit der Menschen – und zwar auch derer, die von sich selbst behaupten, eine christliche Weltanschauung zu haben -, hat die letzten Jahre massiv mitgeholfen, die von den Mächtigen zu „Sünder*innen“ „erklärten“, aus der Mehrheitsgesellschaft auszustoßen.

Und die, die den Ausgestoßenen dennoch die Hand reich(t)en, Bereitschaft zeig(t)en, ihnen zuzuhören,  – sich also ganz genauso so verhielten und verhalten, wie Jesus damals -; die wurden von ihnen immer wieder mit großer Vehemenz zu „Kontakt-Schuldigen“ „erklärt“. Und wegen dieser „Schuld“ von ihnen ebenfalls verfolgt und ausgegrenzt.  


ICH wurde mehr und mehr wütend über dieses Verhalten. Dieses Verhalten allgemein.

Und auch über das Verhalten mir gegenüber. Wütend, dass von den Ausgrenzenden überhaupt keine Bereitschaft bestand, mir zuzuhören, meine Texte zu lesen; mit mir in einen echten wertschätzenden Dialog zu gehen.

Vor wenigen Tagen las ich einen von mehreren anderen weiterverbreiteten Blog-Beitrag: „Fehlbar sind immer nur die anderen!“. Der Artikel hatte im Grunde das aufgenommen, was ich bereits seit geraumer Zeit – allerdings deutlich tiefgehender, ursachenorientierter – auf meinem Blog bearbeite. Daher freute es mich, dass zumindest auf diesen anderen Blogs die entsprechenden Gedanken sehr viele „likes“ und etliche zustimmende Kommentare bekommen hatten.

Nur nützt es nichts im Sinne einer besseren Welt, wenn Menschen in der Theorie von ihnen für gut gehaltenen Gedanken freudig zustimmen – und in der Praxis etwas anderes leben!  

Insofern freue ich mich über die derzeitigen Demonstrationen. Denn ich habe seit geraumer Zeit auch immer wieder geschrieben, dass es nichts nutzt, nur ständig zu jammern, wie schlecht diese Welt sei, wie unfähig unsere Politiker*innen etc. – und selber nichts für eine bessere Politik zu tun. Daher finde ich es gut, dass jetzt sehr viele Menschen aus diesem untätig-Jammermodus herausgekommen sind. Sehr schade finde ich aber, dass diese Mobilisierung leider über die Erschaffung eines Feindbildes bewirkt wurde. Denn damit werden die Werte, um die es den meisten Menschen doch eigentlich geht, leider gleich wieder entwertet.  

Zuzustimmen, dass es nicht gut ist, immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, und sich gleichzeitig zu weigern, eigene Fehler, eigenes Fehlverhalten ehrlich einzugestehen; das hilft NUR dann, wenn die dem Zustimmenden SELBER dann auch genau das leben, was sie als gut erkannt haben!

Und ICH nehme Menschen insoweit beim Wort … . Ich fordere genau das ein.
Und ich fordere ein, Verantwortung für das EIGENE Verhalten zu übernehmen. Denn nur, wenn jede*r endlich Verantwortung für das EIGENE Verhalten übernimmt, kann diese Welt heilen!


Dass ICH nicht locker lasse, Menschen an ihre jeweils EIGENE Verantwortung zu erinnern, wurde mir lange sehr übel genommen. Von fast allen hier.

Das wiederum führte bei MIR zu immer mehr Schmerzen und dementsprechender Wut. Diese nahezu Totalverweigerung fast aller, sich die EIGENEN problematischen Anteile anzusehen. [ Der wunderschöne Kommentar von Gerda zu meinem vorherigen Beitrag dieser Reihe zeigt, dass es auch anders geht.]  
Dieses immer nur mit dem Finger auf andere zeigen, und sich ausgerechnet mit so einem Verhalten auch noch als besonders „guter“ und „kluger“ Mensch zu fühlen, wie es hier fast alle (und zwar von ALLEN Seiten) ständig taten; ließ mich immer verzweifelter und auch immer wütender werden.

Denn solches Verhalten von Menschen führt diese Welt in den Abgrund und nicht in die Heilung!


Als mir dann auch noch meine Wut vorgeworfen wurde, denn Wut sei doch so eine unschöne Emotion … .
Meine Wut, die ja erst durch das Verhalten fast aller anderen hier entstanden und immer größer geworden war; – trieb mich das innerlich in die Weißglut. [Myriade hat es in ihrem Kommentar zu „Ab jetzt macht ihr euren Dreck alleine weg“ beschrieben: So ein Verhalten ist nämlich tatsächlich eine „Gebrauchsanleitung“, wie man auch einen friedlichen Menschen zur Weißglut bringen kann.]

Die Lernerfahrung für MICH war, die AfD-ler nie mehr als „Feindbild“ anzusehen. Denn ich finde es inzwischen nur allzu verständlich, dass Menschen extrem wütend werden, denen nicht zugehört wird. Die von anderen einfach als „böse“ und „sündig“ „definiert“ und brutal ausgegrenzt werden. Denen von anderen plump jeder Dialog verweigert wird. Von denen von einer Mehrheit mit großer Macht vorgegeben wird, dass niemand Kontakt zu ihnen haben dürfe; dass jeder Kontakt zu ihnen die betreffende Person „mitschuldig“ mache.
Und dass Menschen, die so von einer ihre Macht furchtbar missbrauchenden Mehrheit brutal ausgegrenzt werden, in ihrer Wut – und irgendwann vielleicht auch Weißglut, – auch überreagieren, empfinde ich inzwischen ebenfalls als sehr verständlich.


Nach wie vor halte ich viele der Aussagen, die aus der AfD kommen, für problematisch und unschön; und insbesondere Aussagen, die auf eine den Holocaust verharmlosen wollende Tendenz hinweisen, gehen gar nicht.

Aber der Hinweis von Mitzi wegen meines ersten Beitrags dieser Reihe, die mich (allerdings bezogen auf die „andere Seite“) völlig zu Recht darauf hingewiesen hatte, dass ich nicht einfach nur bestimmte Aussagen aus einem Kommentar verkürzt übernehmen könne, schon gar nicht, wenn ich weglasse, worauf dieser Kommentar sich bezog; hat mich auch insoweit nochmal nachdenklich gemacht. Denn kann ich mir überhaupt seriös eine Meinung bilden, nachdem meine Wahrnehmung der AfD sich nahezu ausschließlich „gestützt“ hatte, auf das, was andere über diese Partei schrieben? Und auf bestimmte in irgendwelchen Medien zitierten Passagen irgendwelcher Aussagen einiger AfD‘ler? Denn das waren Aussagen, die fast immer erheblich verkürzt wiedergegeben wurden. Und dass jemals mitzitiert worden wäre, welche Aussagen anderer diesen Aussagen vorausgegangen waren; erinnere ich zumindest nicht.


Die Lernerfahrung war also: Schaffe dir KEINE Feindbilder! Und lasse dir auch keine „Feindbilder“ von anderen aufdrängen!
Denn Feindbilder zu erzeugen, bringt immer Leid! Und vergrößert Wut und Aggression in dieser Welt insgesamt.


Es geht mir mit diesem Text nicht etwa darum, die AfD als „Opfer“ hinzustellen. Sondern darum, immer wieder deutlich zu machen: JEDER Mensch in dieser Welt ist Täter (und sehr viele sind auf die ein oder andere Art auch Opfer).
Jeder Mensch hat Verantwortung für die jeweils EIGENEN Taten.
Verantwortung dafür, dass die EIGENEN Taten möglichst gute Taten sind.

Und andere Menschen zu „bösen“ Menschen zu „definieren“; und diese dann zu bekämpfen, ist keine gute Tat!

Auch dann nicht, wenn man / frau mit diesem Kampf andere vermeintlich „schützen“ möchte.

Denn diese mit einem Krieg „schützen“ zu wollen, erweist sowohl ihnen wie der Menschheit allgemein einen in seinen Auswirkungen ziemlich furchtbaren Bärendienst.

Ein Krieg erhöht Aggression und Leid allgemein. Aggression, die sich dann von den „Kriegsgegnern“ (oder auch von denen, die einfach nur die „Chance“ sehen, eine unschöne Gemengelage für ihre eigenen Machtinteressen auszunutzen) tendenziell auch verstärkt gegen die richtet, die die Krieg Führenden vermeintlich „schützen“ wollten.

Und dass Kriegsaufrufe oft auch aus den Reihen derer kommen, die sich schutzbedürftig fühlen, zeigt nur, dass bisher noch viel zu wenige Menschen verstanden haben, dass mit Krieg Mitmenschlichkeit zerstört wird in ganz furchtbarem Ausmaß.   

Krieg ist IMMER der falsche Weg!!!

Meine Lernerfahrung war aber auch: Wut über ungerechtes Verhalten anderer, über Ausgrenzung durch andere (wie sie nicht „nur“ die AfD’ler, sondern auch alle Ungeimpften sehr vehement erfahren haben); die fließt nicht einfach ab, indem die mich ausgegrenzt und sehr unfair behandelt Habenden, irgendwann wieder „freundlich“ zu mir sind, und so tun, als sei nie etwas gewesen.

Wut kann bei mir (und ich nehme das ähnlich wahr auch bei anderen, insbesondere der plötzlich von einer Mehrheitsgesellschaft brutal ausgegrenzt wurdenden Ungeimpften) dadurch aufgelöst werden, dass all die, die uns unfair behandelt und ausgegrenzt haben, sich eingeFÜHLT haben in unsere Gefühle, die sie durch ihr Verhalten verursacht haben. Sie dadurch ehrlich eingestehen, dass ihr Verhalten kein gutes war, weil sie geFÜHLT haben, wie sich das für die anfühlte, die sie zu ihren Feinden „erklärt“ hatten!
Und wenn sie dann noch die Größe haben, für sich zu reflektieren, wie es kam, dass sie sich zu einem solchen – gar nicht so tollem – Verhalten anderen MENSCHEN gegenüber haben hinreißen lassen; und das vielleicht sogar offen und ehrlich schildern, DANN ist es möglich, gegenseitiges Verständnis zu erzeugen. Im Sinne echter Mitmenschlichkeit.

So dass Wut zu Luft und Liebe umgewandelt werden kann.

Veröffentlicht von Die Rückkehr der Liebesgöttin

Stimme der Liebesgöttin. Der das Lachen leider ziemlich vergangen ist. Schon lange ist sie fast nur noch ernst. Meine Texte sind immer tiefgründig, niemals eindimensional und sie lohnen das wiederholte aufmerksame Lesen.

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9 Comments

  1. Liebe Maren,
    wieder einmal kann ich nur nicken und dir zustimmen. In der Mikrobenzeit ging es mir ähnlich wie dir. Ich konnte und wollte dann nicht mehr schreiben. Oberflächliches war mir zu flach und in die Tiefe zu gehen, hieß mich Anfeindungen auszusetzen.
    Dieses Spalten fand von oben nach unten statt (meine Meinung). Da viele GUT-Mensch sein wollten, wurden alle mit einer anderen Meinung „verteufelt“.

    So verhält es sich ebenso im Bezug auf Klima, CO2, Migration, Kriege etc.

    Ich betone immer wieder, dass ich für Frieden bin und Deutschland keine Kriegsmaschinerie unterstützen darf. Es wurde noch NIE ein Krieg mit Waffen gewonnen. Im Gegenteil: Meist wurde mit in den Krieg gezogen.
    Es ist 1 vor 12 für Friedensgespräche, sowohl in Nahost als auch Russland/Ukraine.
    Das ist m. E. die Aufgabe unserer Regierung und nicht Partei für eine Nation zu ergreifen. Das kann böse enden.

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    1. Liebe Ulrike, danke dir sehr herzlich für diese zustimmenden Zeilen!! 💖
      Ich habe auch den Eindruck, dass das Spalten von oben nach unten stattfand. Denn immer noch glaube ich, dass die wenigsten Menschen „von sich aus“ plötzlich alle Ungeimpften, – oder in anderen Themen andere Meinungen Vertretenden, als sie;- plötzlich verteufelt und ausgegrenzt hätten.
      Herzliche Grüße an dich
      Maren

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  2. Liebe Maren, wieder bringst du ein Thema in schöner Klarheit in die Diskussion ein: was macht Ausgrenzung mit einem Menschen? Wie es mir selbst damit ging, hatte ich eben in einem längeren Kommentar geschrieben, aber er rutschte mir weg und ist nun nicht mehr da. Vielleicht habe ich Gelegenheit, später noch mal dazu zu schreiben.

    Jetzt möchte ich etwas über die Dynamik des Ausgrenzens sagen, wie sie sich In der systemischen Familienaufstellung darstellt. Ich nehme dafür ein Beispiel, in dem die Verdrängte eine Unglückliche war. Es gilt aber genauso und sogar noch mehr bei Menschen, die wegen ihrer Verbrechen von dem ihnen zustehenden Platz des Systems verdrängt wurden.

    Dieser Tage hatte ich eine Aufstellung: eine Frau besucht mich zum ersten Mal. Sie hat neuerdings Probleme mit ihrem fast 14 jährigen Sohn. Nun, das ist in dem Alter nicht ungewöhnlich… Was noch? Ich erfahre durch Nachfragen: die Frau hat ihren Mann vor anderthalb Jahr rausgeworfen, weil er ein „Trinker“ sei. War er das immer schon? Ja, er hat immer gern getrunken, aber seit dem Lockdown weiß sie es, denn da arbeitete sie nicht und er auch nicht. Und nun säuft er. – Also war der lockdown schuld? Nein, meint sie. –

    Und der Sohn? Seit wann begann sein auffälliges Verhalten? Seit anderthalb Jahren. Wieder denke ich: nun ja, das Alter, dazu der Lockdown, dazu das Fehlen des Vaters, der von der Mutter verachtet wird…

    Noch was? Ja, er hat eine Zwillingsschwester. Beide sind Frühgeburten, er blieb drei Monate im Krankenhaus. Ich denke: Klar, das sind schwierige Startbedingungen. Ich erfrage noch dies und das: der Vater sei eigentlich ein guter Vater gewesen, sie selbst arbeitet in Schicht, da sind die Kinder oft allein, essen, was sie vorbereitet hat, Großeltern gibt es nicht … Alles verständlich, klar, der Junge macht eine etwas anstrendende Pubertät durch….

    Aber ist das alles? Was ist mit den Großeltern? Und so erfahre ich, dass der Ehemann-Vater („Säufer“) mutterlos aufwuchs, da seine Mutter nach seiner Geburt starb und er in lieblose Hände geriet. Wieder kommt ein einfacher Gedanke hoch: Er wurde zum Säufer, weil er die mütterliche Brust und Wärme ganz vermissen musste, woraus sich andere Versagensmotive ableiten. Aha. Und was nun?

    In einer „normalen“ psychologischen Beratung würde man nun vielleicht versuchen, der Frau mehr Verständnis für ihren pubertierenden Sohn und ihren „saufenden“ Mann zu empfehlen. Dem sind aber enge Grenzen gesetzt, denn ihre eigene Situation als alleinerziehende und berufstätige Mutter und Frau eines „Säufers“ schwierig genug.

    Beim Aufstellen gehe ich daher anders vor: Ich versuche herauszufinden, welches Familienmitglied sich (in der Regel unbewusst) die Aufgabe gestellt hat, die Ausgeschlossene (in dem Fall die gleich nach der Geburt gestorbene Mutter des Ehemanns) ins System zurückzuholen. Das gelingt auch: Es ist die Enkelin, die auch ihren Namen trägt – Zwillingsschwester des auffälligen Sohnes. Es kommt zu einer herzergreifenden Szene, wo die Enkelin eine Verbindung herstellt zur unbekannten Großmutter (der Mutter ihres Vaters), den Vater mit in die Verbindung hinein nimmt, damit er sich an der Brust der vermissten Mutter satt trinken kann, und der Schmerz im System seinen Ausdruck finden kann. Alle weinen. (Ich vermute, diese jetzt knapp 14Jährige wird einen Hang zur Psychologie verspüren).

    Ich hoffe, dass das Wesentliche, das bei jeder Art der Ausschließung zu erwarten ist, deutlich wurde: Heilung ist nicht möglich, wenn Ausgeschlossene ausgeschlossen bleiben. Denn immer finden sich später Geborene, die dem Ausgeschlossenen ihren Platz im System zurückgeben wollen. Meistens bleibt das vollkommen unbewusst und hat tragische Konsequenzen für den Nachgeborenen. Denn er übernimmt ein fremdes Schicksal als sein eigenes.

    Im politischen Sprech redet man auch von Renegaten. Ja, die, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den „Nazi“-Vorfahren ihren Platz im System zurückzugeben, sind in gewisser Weise „Wiedergeborene“. Heilung besteht darin, Vorfahren nicht zu „verdrängen“, sondern ihrem Schmerz Raum und ihnen selbst ihren Platz im System zu geben. Dann brauchen ihre Taten nicht durch Nachgeborene wiederholt zu werden, damit man sich an sie erinnert.

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    1. Liebe Gerda, ganz herzlichen Dank für diese Beschreibung!!
      Dass es in dem, was wir gerade sehen, zumindest auch darum geht, dass die Verurteilung der von durch diese Verurteilung aus dem System ausgeschlossenen Nazi-Vorfahren aufgelöst werden muss, ist etwas, was ich ebenfalls so empfinde. (Es war einer der Gründe, warum ich bei dem von Anja zitierten „Netzfund“ „Nun könnt Ihr erkennen, wie Ihr anstelle Eurer Großeltern gehandelt hättet“, kommentiert hatte (der link zu dem Kommentarstrang bei Anja findet sich in meinem ersten Beitrag dieser Reihe).
      Schade, dass dein zweiter Kommentar weggerutscht ist.

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  3. Ja das ist es, was in mir diesen dauernden Zwiespalt erzeugt: daß da so einiges Sich-Widersprechende sich miteinander kreuzt. (B es sich auch hier, in diesem Beitrag, kreuzt, vermag ich im Moment noch nicht zu beurteilen. Ich würde selbst einmal prüfen, ob es bei denen, die jetzt hier angesprochen sind, ebenfalls so eine „Kreuzung“ besteht: Also solchen „ins Kreuzfeuer“ geraten, die eine eindeutige klare friedliche und freiheitliche Ansicht vertreten, gewisse Kreuzpunkte aber im eigenen Bewußtsein noch bestehen.
    Während mir dies gerade auffällt, denke ich darüber nach, was sich in mir selbst evtl. noch kreuzt.

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    1. Liebe Gisela, ganz herzlichen Dank für diese wunderbare Resonanz auf meinen Beitrag! 💖
      Genau das ist eine der ganz wichtigen Facetten, die ich mit meinen Beiträgen ansprechen wollte:
      Dieses sich miteinander Kreuzende von sich Widersprechenden. Das von den beiden Seiten selten wahrgenommen wird.
      Und genau, es geht auch darum, eben immer wieder auch für sich selbst zu prüfen, wo die eigenen „blinden Flecken“ in der eigenen Sichtweise bestehen.
      Herzliche Grüße
      Maren

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  4. Liebe Maren, danke für diesen mit Herzblut geschriebenen Beitrag. Ich kann das sehr gut nachempfinden und auch diese Wut verstehen, die ja in Fassungslosigkeit gründet. Denn es ist der Schein, der hier zum Sein erklärt wurde. Es ist wie das sogenannte Gaslighting wo einem die eigene Wahrnehmung abgesprochen wird.
    Mittlerweile ist mir klar, dass das System hat, und man es nicht mit einem ehrlichen ‚Gegner‘ zu tun hat (ich spreche hier vom System, nicht den Einzelmenschen) und genau diese Ausgrenzung, Spaltung und Wut beabsichtigt sind um dann zuletzt noch als Beweise gegen jemand verwendet zu werden.
    Ich habe diese Gefühle alle auch durchgemacht.
    Es verbleibt für mich die Erkenntnis, dass die Lösung nicht in Gegenaktionen liegen kann, sondern in der inneren Ausrichtung auf das Verbindende im Menschen, das Zuhören und Verstehenwollen. Das Trauma der deutschen Geschichte ruht noch unverdaut und hebt sich nun aus dem Schatten, will gesehen und verstanden sein. Für mich ist das in seiner Intensität fast unerträglich. Ich will nur versuchen meine Mitte zu halten und mich nicht auf eine (gute oder böse) Seite schleppen zu lassen …🙏

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    1. Meine Mitte halten … , das ist das, was ich auch versuche, aber es reißt mich schon immer in die eine und andere Richtung weit fort, bis er mir gelingt, in meine Mitte zurückzufinden. Es tut gut, deinen Kommentar zu lesen und sich darin wiederzuerkennen, liebe Johanna..

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