Corona: Wie Kommunikation Verantwortlichkeiten verschleiern kann

Schattenspiele; Künstlerin Dörte Müller

„Die Lage ist sehr sehr ernst.“ „Das Virus fordert“, dass wir nahezu überall Masken tragen. „Das Virus lässt nicht mit sich spaßen.“ „Unsere Gesundheitsämter sind überlastet.“ „Es ist jetzt nicht die Zeit für Sozialkontakte.“

Tja, da wird ein Virus vermenschlicht und die Verantwortung für getroffene politische Entscheidungen diesem Virus zugeschoben (oder auf „unpassende Zeiten“ oder Ämter verwiesen). So, als ließe dieses böse Ding (und diese „schweren Zeiten“) einfach keine Alternativen.

Ehrliche Kommunikation der gestern verabredeten Maßnahmen, das wäre gewesen:

„Wir haben uns dafür entschieden, Restaurants, Hotels, Veranstaltungen, Sportstätten usw. bis auf Weiteres zu schließen. Wir wissen, dass wir damit unzählige wirtschaftliche Existenzen vernichten, was für die Betroffenen unzweifelhaft zu hohen existenziellen und psychischen Belastungen führen wird. Wir halten diese Berufsverbote dennoch für unumgänglich, weil wir Covid-19 für eine so gefährliche Erkrankung halten, dass uns jede Grundrechtseinschränkung gerechtfertigt erscheint, um die Ansteckungsgefahr an der Erkrankung einzudämmen.

Unsere Einschätzung der extremen Gefährlichkeit (trotz im Verhältnis zur Gesamtsterblichkeit in Deutschland sehr niedriger Todeszahlen an dieser Erkrankung) beruht auf folgenden Zahlen … und Prognosen … (, wobei uns bekannt ist, dass die Prognosen von Herrn Drosten bereits in der „ersten Corona-Welle“ nicht zutrafen und auch bei der Schweinegrippe sehr weit daneben lagen).

Wir gehen davon aus, dass unser Gesundheitssystem überfordert werden könnte, wenn wir diese Maßnahmen jetzt nicht ergreifen, weil … . Diese Prognose stützt sich auf folgende Fakten … . Unter „Überforderung“ verstehen wir …. .

Wir halten die jetzt getroffenen Maßnahmen für geeignet, die Ansteckungsgefahr an Covid-19 zu reduzieren, weil … .

Dass die Mehrzahl der betroffenen Restaurant- und Hotelbetreiber*innen, ebenso wie die Veranstaltungsbranche über die letzten Monate hohen Aufwand betrieben hat, um alle vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen vorbildlich umzusetzen, ist uns bekannt. Wir halten dies für nicht ausreichend, weil wir nicht wissen, wo und wie die Menschen sich tatsächlich anstecken. Dass wir dies nicht wissen, nehmen wir zum Anlass, ALLES zu schließen. Eine Abwägung im Einzelnen ist uns nicht zumutbar, weil … .

Die vorbeugende und immunstärkende Wirkung von Sport, gerade auch von gemeinschaftlich betriebenem Sport ist uns bekannt. Wir halten es dennoch für unumgänglich, alle Sportstätten und Schwimmhallen zu schließen, weil … .

Die immunschwächende und Lebenssinn zerstörende Wirkung mangelnder Sozialkontakte gerade auch bei älteren Menschen ist uns bekannt. Wir wissen, wie schädlich und Depressionen fördernd eine solche starke Eindämmung von Sozialkontakten, auch von gemeinsamen Sport oder sonstigen Veranstaltungen ist (nicht nur, aber ganz besonders für ältere Menschen). Wir haben das und auch die aufgrund der Einschränkungen zu erwartenden höheren Todesfälle an anderen Erkrankungen sehr sorgsam abgewogen, als wir unsere Maßnahmen beschlossen haben. Wir halten diese Einschränkungen dennoch für absolut unumgänglich, weil …. .

Wir wissen, dass wir trotz der zugesagten 11 Milliarden „Staatshilfe“ einen großen Teil der jetzt zwangsweise von uns geschlossenen Betriebe nicht und schon gar nicht über einen längeren Zeitraum werden retten können. Aber … .

Psychische Hilfestellungen für die Betroffenen, denen wir mit diesen Maßnahmen teilweise das Lebenswerk zerstören, halten wir nicht für notwendig, weil … .

Wir wissen, dass das Geld für diese Staatshilfen nicht vom Himmel fällt, sondern erwirtschaftet werden müsste. Wir wissen, dass unsere Maßnahmen dafür sorgen, dass stattdessen über längere Zeit deutlich weniger erwirtschaftet werden kann. Die daraus entstehenden Belastungen werden also in voller Höhe den nachfolgenden Generationen aufgebürdet und müssen anderswo irgendwann wieder eingespart werden. Das halten wir für gerechtfertigt, weil … .

Die Möglichkeit, die Betriebe offen zu lassen und stattdessen mehr Geld in das Gesundheitssystem zu stecken, das aufgewendete Geld also nicht zu „verbrennen“, sondern eher zukunftsfördernd einzusetzen, haben wir nicht gewählt, weil … .

Obwohl auch Virologen immer wieder darauf hinweisen, dass wir mit dem Virus leben lernen müssen, da dieser nicht plötzlich wieder verschwinden wird (auch nicht durch einen oder fünf Impfstoffe…), halten wir die jetzt getroffenen Maßnahmen für unumgänglich, weil … .

Wir erhoffen uns, dass wir die Ansteckungszahlen über den Winter auf einem Niveau halten können, von dem wir aus … Gründen annehmen, dass … . Diese Hoffnung gründet sich auf folgende Überlegungen … , denen folgende Fakten zugrunde liegen….

Wir haben bei unserem Vorgehen folgendes klares Ziel vor Augen … . Wenn sich unsere Überlegungen so nicht erfüllen, werden wir (den Lockdown bis zum Frühjahr verlängern …. ?! Und dann jedes Jahr wieder über das Winterhalbjahr …???) … .

Obwohl auch viele Ärzte empfehlen, sich bei einer Erkrankung, die bei dem weit überwiegenden Teil der Betroffenen mit wenig oder gar keinen Symptomen verläuft, auf die Risikogruppen zu konzentrieren, meinen wir, dass die Gesundheitsämter jeden Kontakt nachverfolgen sollten, weil … .

Obwohl unser Gesundheitssystem (zum Glück) nicht vergleichbar ist mit dem in vielen unserer Nachbarländer, machen wir deren Erfahrungen in überfüllten Krankenhäusern (anders als in jeder bisherigen Krankheitswelle, wie Grippe o.ä.) für uns bei Covid-19 zum Maßstab, weil … .

Wir wissen, dass Viruserkrankungen im Herbst / Winter generell zunehmen und dass manche unserer Maßnahmen (ständiges Lüften im Unterricht / ständiges Maskentragen) diese Viruserkrankungen befördern werden. Gerade auch bei Kindern, von denen wir andererseits wissen, dass sie für Covid-19 wenig anfällig sind. Wir halten dies für hinnehmbar, denn … .

Obwohl wir nicht wissen, wie und wo Menschen sich tatsächlich an Covid-19 anstecken (s.o.), halten wir das Tragen von Alltagsmasken und all unsere sonstigen Maßnahmen für unumgänglich, weil … . Hierzu verweisen wir auf folgende Studien …, wobei wir die Studien …, die auf die negativen Folgen verweisen selbstverständlich dagegen abgewogen haben.

Wir halten Covid-19 für eine durch politische Maßnahmen verhinderbare Erkrankung, weil … . Wir sind der Ansicht, dass ALLE Möglichkeiten zur „Verhinderung“ ergriffen werden sollten. Unabhängig von einem Wirksamkeitsnachweis. Und unabhängig von den Schäden und Kosten, die durch diese Maßnahmen entstehen.

Die jährlich rund 230.000 Todesfälle durch Krebserkrankungen und rund 350.000 Todesfälle durch Herz-/Kreislauferkrankungen in Deutschland sehen wir hingegen als unabwendbares Schicksal an, die durch politische Maßnahmen, wie z.B. Pestizidverbote oder Reduzierung der Strahlenbelastungen o.ä., nicht beeinflusst werden können. Wir kommen zu dieser Einschätzung, weil ….

Leider sehe ich eine solche Kommunikation und Begründung nicht. Stattdessen wird mit der Platitüde von dem „Ernst der Lage“ Alternativlosigkeit suggeriert. Damit versuchen die politischen Entscheidungsträger, sich gewissermaßen aus der Verantwortung zu stehlen: „Wir konnten ja nicht anders … .“

Doch, Ihr könntet anders! Das nicht zuzugeben, ist feige und verantwortungslos. Es heißt noch nicht, dass Ihr zwingend anders müsst, aber ich möchte wenigstens diese Abwägung sehen. Ich möchte sehen, dass Ihr all den Menschen ins Auge blicken könnt, deren Existenz Ihr zerstört, weil Ihr mit gutem Gewissen sagen könnt, dass Ihr wirklich alles abgewogen habt. Ich möchte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei staatlichen Eingriffen auch bei Covid-19 gewahrt sehen!!!

Denn aus meiner Sicht sind nicht „die Zeiten schwer“. Sondern wir Menschen machen uns diese Zeit schwer. Schwerer, als jede Generation vor uns sich „solche Zeiten“ vermutlich gemacht hätte.

Meine Meinung. Und Eure?

Veröffentlicht von lachmitmaren

Stimme der Göttin. Schon lange fast nur noch ernst. Manchmal sehr wütend, manchmal sehr verzweifelt. Oft traurig. Und nur noch sehr selten verspielt und albern. Gute Zuhörerin. Einfühlsame Leserin. Vielseitig interessiert. Meine Texte sind immer tiefgründig. Sie sind kritisch gegenüber "Vorgaben" "von Oben" und sie hinterfragen ursachenorientiert. Meine Berufung ist Heilung. Ich bin Volljuristin, staatlich geprüfte Heilpraktikerin, zertifizierte Lachyoga-Leiterin - Und Rheumatikerin seit über 30 Jahren.

Beteilige dich an der Unterhaltung

43 Kommentare

  1. Vielen Dank Maren!!! So klare Worte, so wahre Worte…. Und weißt Du – mir kam es schon bereits im März sehr suspekt vor, dass sich Politiker plötzlich so mitfühlend mit den Kranken, Alten und Armen zeigten. Nein, ich bin kein Coronaleugner, sowie ich auch kein Leugner von Grippe, Verkehrstoten, sowie Klimafolgen-Leugner bin…. Wir schaffen es seit Jahrzehnten nicht die Tempolimits einzuführen, die jeden Tag soviele Verkehrtote bewirken, die Politik kümmert sich seit ewigen Zeiten nicht um die von unserer Gesellschaft benachteiligten missbrauchten Kinder, der Armut unter den Kindern, vergewaltigten Frauen, den Leiden von Hartz4 Menschen, die unter den Folgen der Ausgrenzung leiden….. und da soll ich glauben, dass Milliarden jetzt für die Gesundheit der Hochbetagten eingesetzt werden?

    Gefällt 4 Personen

    1. Danke dir! Ich bin auch der Meinung, dass man das Geld wahrlich besser und segensreicher für die Menschen hätte einsetzen können. Zumal viele der älteren Menschen es möglicherweise vorziehen würden, Besuch von ihren (unmaskierten) Enkeln zu erhalten, statt zwangsweise „geschützt “ zu werden. Bei meiner Mutter wäre das jedenfalls definitiv der Fall gewesen.

      Gefällt 3 Personen

  2. Danke für diesen Eintrag, er dürfte vielen aus dem Herzen sprechen, auch wenn sie es vielleicht nicht zugeben möchten öffentlich. Hier wird ein funktionierendes Wirtschaftssystem zugrunde gerichtet, alles, was uns Menschen Freude macht, verboten und Menschlichkeit schlechthin per Verordnung eingedämmt. Aber nicht nur das, auch Bildung und Kultur werden herunter gefahren. Was bleibt?

    Ich finde es durchaus vernünftig, vom Konsumwahn der letzten Jahrzehnte abzusehen, , was hier jedoch geschieht scheint mir beispiellos, sogar den Fluchtweg Alkohol gehen sie jetzt schon an. Wer wird die Kranken und Toten, die die stattlich verordneten Maßnahmen hervorrufen, zählen?

    Gefällt 3 Personen

    1. Herzlichen Dank für deine zustimennden Worte! Vielleicht wird wenigstens der Konsumwahn weniger, weil sich die Leute irgendwann mehr um das kümmern, was wirklich zählt im Leben? Ihnen klarer wird, was sie vermissen – und was nicht? Eine vage Hoffnung….

      Gefällt 2 Personen

      1. …es wird eine Weile dauern und für etliche erst einmal ein Problem sein, wenn viele Ablenkungen wegfallen, man denke nur an die Fußballfans…doch mehr und mehr werden es zum schätzen wissen, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren…aber es wird ein schwieriger Übergang, das ist sicher…

        Gefällt 1 Person

    1. Hallo Nicole,
      danke dir! Ich gehöre zu den Menschen, die sich insgesamt (nicht nur bei Corona) weniger Aktivismus wünschen. Für mich gehören Viren letztlich zum Leben dazu. Wichtig ist natürlich Immunstärkung, Abstand von Fremden und in jedem Fall mit Symptomen Zuhause bleiben. Letzteres habe ich früher oft vermisst, wenn sich Kolleg*innen mit grippalen Effekten (und Medikamenten) zur Arbeit gequält haben, weil sie dachten, den anderen damit etwas Gutes zu tun. Für mich mit Autoimmunerkrankung und damals noch supprimiertem Immunsystem war jede Ansteckung nicht unproblematisch, das hat aber niemand richtig verstanden. Hier könnte man nacharbeiten (denn das geht ja nicht nur mir so). So, wie es jetzt läuft, befürchte ich hingegen, dass „nach Corona“ wieder alles läuft, wie vorher, denn aufgrund der offiziellen Kommunikation scheinen viele Menschen eben nur Corona für gefährlich zu halten (- für sich selbst …) . Viele Grüe Maren

      Gefällt 2 Personen

      1. Hi Maren, hm. mit Immunsuppression kenne ich mich leider aus. Einer der Gründe, warum ich recht intolerant bei Verweigerern bin, denn ich fürchte nichts mehr, als den Virus heim zu meinem transplantierten Mann zu bringen.
        Und was das „zur Arbeit schleppen“ betrifft, habe ich das noch nie verstanden. Das hat nie und wird nie Sinn machen, weil man eh nur unkonzentriert ist.
        Das einzig „gute“ aus Corona wird sein, dass endlich vernünftige Home Office Regelungen der Firmen etabliert werden, um genau solches Verhalten zu verhindern.
        Schade finde ich auch, dass der Virus so viele Egoisten entblößt. Aber naja. Die waren ja schon vorher so.
        Ich wünsche Dir jedenfalls ein gesundes, schönes Wochenende!

        Like

        1. Das wünsche ich dir und deinem Mann auch! Das mit dem Home-Office finde ich auch eine der wenigen aus meiner Sicht positiven Entwicklungen. Die Frage, welches Verhalten egoistisch ist bei dieser Corona-Geschichte, finde ich schwierig zu beantworten. LG

          Gefällt 1 Person

  3. Was die Behauptung, dass „unzählige wirtschaftliche Existenzen“ vernichtet werden, angeht, so bleibt erst mal abzuwarten, ob das denn tatsächlich so sein wird. Die Zahl der Arbeitslosen sank in den letzten zwei Monaten zusammengenommen wieder stärker als sie in den drei Monaten davor zusammengenommen angestiegen war, und auch dieser vorherige Anstieg war eher saisonbedingt zu begründen. Das BIP stieg im letzten Quartal auch wieder um 8,2 % an. Die Zahl der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenzen liegt im Jahr 2020 durchgehend unter den Zahlen aus 2019. Damit will ich nicht sagen, dass der erneute Lockdown für die betroffenen Betriebe nicht eine große wirtschaftliche Belastung bedeutet – obwohl sie 75 % des Umsatzes des Vorjahresmonats bekommen, dafür aber beispielsweise aufgrund von Kurzarbeitergeld deutlich weniger Aufwendungen haben -, ich störe mich eben nur an der Behauptung, dass dadurch „zahllose wirtschaftliche Existenzen“ vernichtet würden.

    Zur Einschätzung der Gefährlichkeit angesichts der niedrigen Todeszahlen: Die Art der Argumentation empfinde ich persönlich als etwas zynisch, aber dessen ungeachtet sind die niedrigen Todeszahlen auf diverse Gründe wie die das Durchschnittsalter der Infizierten und die Zahl der Intensivbetten pro 100.000 Einwohner zurückzuführen. Wenn man auf diese Weise mal beispielshaft Deutschland und Italien vergleicht, dann fällt auf, dass Italien einen höheren Anteil an 65+ Jahre alten Menschen an der Gesamtbevölkerung hat, gerade zu Beginn der Pandemie das Durschnittsalter der Infizierten dort auch um ganze 13 Jahre höher lag als hier, dass es gleichzeitig aber nur über gut 12 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner verfügt, während es in Deutschland etwa 33 sind. Damit erklärt sich dann beispielsweise auch, dass in Italien, Stand jetzt, fast viermal so viele Todesopfer zu beklagen sind wie in Deutschland, und das obwohl Italien gut 20 Millionen weniger Einwohner hat. Die vergleichsweise geringe Anzahl der Toten hierzulande separat für sich zu betrachten, ist also kein Indikator für die Gefährlichkeit des Virus, sondern nur dafür, dass unser Gesundheitssystem noch funktioniert. Und das auch nur dank der unzähligen in diesem System tätigen Menschen, die jeden Tag am Limit arbeiten.

    Was die Gefährdung des Gesundheitssystems angeht, so hat die Kanzlerin sowohl in ihrer PK als auch in ihrer Regierungserklärung entsprechende Zahlen beispielweise zur Verdopplung der intensivmedizinisch zu behandelnden bzw. der Beatmungspatienten genannt. Auch was unter „Überforderung“ zu verstehen ist, wurde bereits vielfach diskutiert, nämlich dass man nicht an den Punkt kommen möchte, wo man eine „Triage“ durchführen muss, sich also die Frage stellt, ob man entweder das Unfallopfer oder den Covid-Patienten behandelt, weil beides gleichzeitig nicht möglich ist. Die Folgen daraus hat man nämlich auch in Italien gesehen.

    Was die Kritik an Herrn Drosten und den ewig wiederholten Hinweis auf die Schweinegrippe angeht: Herr Drosten ist nicht der Papst, also ist er als solcher auch nicht unfehlbar. Ganz unabhängig davon, dass mir jedoch ein Wissenschaftler lieber ist, der eine Entwicklung als gefährlich einstuft, diese sich dann aber vergleichsweise harmlos zeigt, als andersherum, mag es ja zutreffen, dass Herr Drosten beispielsweise behauptet hat, dass die Sommermonate wohl kaum zu einer Verbesserung der Infektionszahlen führen werden, aber um ihn mal selbst zu zitieren: „Diese erste Welle haben wir besser als viele andere kontrollieren können, weil wir früh testen konnten und zwischen Gesellschaft, Politik und den Infektionswissenschaften größeres Vertrauen herrschte als anderswo. Unser früher und kurzer Lockdown hat der Wirtschaft viel Schaden erspart.“ Das Auftauchen einer zweiten Welle dagegen hat er in ähnlicher Dimension schon im April vorausgesagt und gebetsmühlenartig. Dass die Situation nun so ist, wie sie ist, deutet aber irgendwie darauf hin, dass man ihm nur zuhört, wenn er falsch liegt.

    Warum man die Maßnahmen für „geeignet, die Ansteckungsgefahr an Covid-19 zu reduzieren“ hält, wurde doch ebenfalls begründet. Es geht nahezu ausschließlich um Minierung von Kontakten, eben auch beim Sport, in Bars oder im Kino.

    Was die Würdigung des Aufwands den die „Mehrzahl der betroffenen Restaurant- und Hotelbetreiber*innen“ betrieben hat, und warum die Betriebe trotzdem geschlossen werden, hat die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung doch fast genau so gesagt: „Ich verstehe die Frustration, ja die Verzweiflung, gerade in diesen Bereichen sehr. So viele Hygiene-Konzepte wurden erarbeitet, und die Betroffenen fragen sich: Soll das alles sinnlos gewesen sein? Ich erwidere: Nein, das war es nicht, und diese Hygiene-Konzepte werden auch wieder gebraucht werden. Aber im gegenwärtigen, exponentiellen Infektionsgeschehen können diese Hygiene-Konzepte ihre Macht nicht mehr entfalten. Wir können 75 % der Infektionen nicht mehr zuordnen, wo sie geschehen sind, und aus diesem Zustand müssen wir schnellstmöglich wieder heraus.“ Eine Abwägung im Einzelnen wäre sicherlich wünschenswert gewesen, ich gebe aber zu bedenken, dass unter anderem der Deutschen Wunsch nach immer weiteren Sonderregelungen zu einem Steuerrecht geführt hat, dessen Umfang knapp unter den Beständen der antiken Bibliothek von Alexandria liegt. 😉 Aber mal im Ernst, ich nehme an, dass man sich aufgrund des Zeitdrucks außerstande sieht, alle Branchen einzeln zu betrachten. Dass es dabei zu Ungerechtigkeiten kommen wird, ist leider kaum zu vermeiden.

    Was Sport angeht, so steht es allen frei, den in entsprechend angepasster Form für sich weiter zu betreiben, nur eben nicht mehr in den dafür vorgesehenen Einrichtungen.

    Hinsichtlich der Auswirkungen der ausbleibenden Kontake in psyischer Hinsicht und die weiteren Aspekte dieses Punktes sind wir uns nahezu vollumfänglich einig. 🙂

    Was „Wir wissen, dass wir trotz der zugesagten 11 Milliarden „Staatshilfe“ einen großen Teil der jetzt zwangsweise von uns geschlossenen Betriebe nicht und schon gar nicht über einen längeren Zeitraum werden retten können.“ angeht, so wissen wir das überhaupt nicht, wir behaupten das erst mal nur …

    Was „Wir wissen, dass unsere Maßnahmen dafür sorgen, dass stattdessen über längere Zeit deutlich weniger erwirtschaftet werden kann. Die daraus entstehenden Belastungen werden also in voller Höhe den nachfolgenden Generationen aufgebürdet und müssen anderswo irgendwann wieder eingespart werden.“ abgeht, so wissen das auch nicht, denn was „längere Zeit“ und „deutlich weniger“ sein wird, bleibt abzuwarten, hier verweise ich gerne wieder auf den Zuwachs des BIP III/20. Tatsache ist allerdings, dass Deutschland seine Staatsverschuldung in den letzten zehn Jahren um über 100 Milliarden Euro gesenkt hat, und ja, die über 200 Milliarden Neuverschuldung werden uns entsprechend lange beschäftigen, aber ob das gleich Generationen, im Plural, sein werden, bleibt wieder abzuwarten.

    Die Betriebe offen zu lassen und stattdessen Geld ins Gesundheitssystem zu stecken, ist schon deswegen kein gangbarer, zumindet aber kein hilfreicher Weg, weil es dem Gesundheitssystem derzeit in erster Linie – und nicht erst seit gestern – weniger an Geld, sondern an Personal mangelt. Das ist aber nicht plötzlich da, nur weil Geld ins Gesundheitssystem wandert, während man gleichzeitig Betriebe offen lässt, zum Preis, dass vielleicht Menschen sterben.

    Dass man auch in Zukunft mit dem Virus leben muss, bedeutet aber doch nicht, dass man es unkontrolliert laufen lassen kann und mit einem resignierten laissez-faire-Schulterzucken sagt: „Jo, mei …“

    „Obwohl auch viele Ärzte empfehlen, sich bei einer Erkrankung, die bei dem weit überwiegenden Teil der Betroffenen mit wenig oder gar keinen Symptomen verläuft, auf die Risikogruppen zu konzentrieren, meinen wir, dass die Gesundheitsämter jeden Kontakt nachverfolgen sollten, weil …“ auch die Menschen, die nicht zu Risikogruppen gehören und keine Symptome haben, ansteckend sein können und mithilfe der lückenlosen Nachverfolgung bestenfalls gewährleistet sein kann, dass sich diese Menschen in vermeintlich ungefährlichen Kontakt mit Menschen aus Risiskogruppen begeben.

    „Obwohl unser Gesundheitssystem (zum Glück) nicht vergleichbar ist mit dem in vielen unserer Nachbarländer, machen wir deren Erfahrungen in überfüllten Krankenhäusern (anders als in jeder bisherigen Krankheitswelle, wie Grippe o.ä.) für uns bei Covid-19 zum Maßstab, weil …“ das 1:1 hier auch so passieren kann, nur eben aufgrund der besseren Ausstattung des Gesundheitssystems ggf. etwas später, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssystem jetzt schon am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angekommen sind und weil die Zahlen der jüngeren Vergangenheit darauf hindeuten, dass wir innerhalb weniger Wochen auf eine ähnliche Entwicklung wie in andere Länder zusteuern würden. Eine solche Vorgehensweise ergäbe bei anderen Krankheitswellen wie der Grippe allein schon deswegen wenig Sinn, weil es beispielsweise unterschiedliche Impfquoten in den einzlenen Ländern gibt, während dieser Punkt bei Covid-19, eben weil es noch keine solche Impfung gibt, nicht berücksichtigt werden muss.

    „Wir wissen, dass (…) manche unserer Maßnahmen (ständiges Lüften im Unterricht / ständiges Maskentragen) diese Viruserkrankungen befördern werden.“ Auch hier wieder: Wissen wir das oder behaupten wir das erst mal? Oder liegt nicht viel mehr die Anzahl der gemeldeten Influenza-Erkrankungen sowie allgemein der Atemwegserkrankungen nicht doch unter den Zahlen des Vorjahres, und ist diese Entwicklung nicht vielleicht gerade auf das verbreitete Tragen der Masken zurückzuführen?

    „Wir halten Covid-19 für eine durch politische Maßnahmen verhinderbare Erkrankung, weil …“ Weder hat das meines Wissens jemals jemand behauptet noch wird das jemals jemand seriös tun.

    „Die jährlich rund 230.000 Todesfälle durch Krebserkrankungen und rund 350.000 Todesfälle durch Herz-/Kreislauferkrankungen in Deutschland sehen wir hingegen als unabwendbares Schicksal an, die durch politische Maßnahmen, wie z.B. Pestizidverbote oder Reduzierung der Strahlenbelastungen o.ä., nicht beeinflusst werden können. Wir kommen zu dieser Einschätzung, weil ….“ – Ein solcher Vergleich ergibt meines Erachtens auf so vielen Ebenen keinen Sinn, dass ich darauf jetzt nicht auch noch eingehe. Der Text ist schon lang genug. 🙂

    Ich bitte die „wall of text“ zu entschuldigen, aber eine halbwegs lesbare Kurzform erschien mir unmöglich.:-)

    Gefällt 5 Personen

    1. Ich danke dir für deine ausführliche Antwort! Ja, natürlich sind das teilweise „Behauptungen “ von mir, die ebensowenig bewiesen sind, wie die Behauptungen oder Einschätzungen der Regierungsseite… . Ich werde mir deinen Kommentar aber die nächsten Tage nochmal genauer ansehen, und eventuell auch noch mal länger darauf antworten, wenn ich mehr Zeit habe. LG

      Gefällt 2 Personen

      1. Soll mir recht sein. 🙂 Als Gesprächsgrundlage taugen Behauptungen meines Erachtens aber erst dann, wenn man sie auch mit Fakten untermauert, sonst bleibt es eben eine Behauptung. So wie die, dass die Einschätzungen der Regierungsseite nicht bewiesen sein. 😉

        Gefällt 1 Person

    2. Ich komme erst jetzt dazu, auf den Beitrag etwas ausführlicher einzugehen, weil ich gerade erst zurückgekehrt bin aus meiner Geburtsstadt, von der ich mich u.a. quasi verabschiedet habe. Denn der Hauptgrund für meine bisherigen Besuche dort, meine Mutter, ist während des ersten Lockdowns gestorben. Sie war trotz ihres hohen Alters bis dato eigentlich fast jeden Tag aktiv gewesen, ob Kunstgruppe, Kulturgruppe, Gymnastikgruppe, Frühstücksrunde oder vieles Weitere (insbesondere alles rund um ihre Kirche) und hatte sehr viele soziale Kontakte. Anfang diesen Jahres ging es ihr gesundheitlich etwas schlechter, was sie aber nicht abhielt, trotzdem alles mitzumachen, was ging. Bis man ihr dann alles nahm: Die Kirche hatte zu. Die Gruppen waren abgesagt, den Freundinnen hatte man so viel Angst vor Corona gemacht, dass sich auch niemand mehr zu ihr traute. Nicht einmal ihr Hausarzt… . Nachdem ich unmittelbar vor dem Lockdown nach einem mehrtägigen Besuch bei ihr abgereist war, schien sie das Essen und Trinken im Wesentlichen eingestellt zu haben. Alles, wofür sie gelebt hatte, hatte man ihr genommen. Irgendwann wurde sie (gegen ihren Willen) ins Krankenhaus eingeliefert, wo dieses unmenschliche Besuchsverbot herrschte. Sie hat ein einziges Mal im Krankenhaus eine Suppe zu sich genommen (wie mir die Ärztin berichtete), das war, nachdem ich mühsam eine Schwester überredet hatte, ihr wenigstens mal das Telefon ans Ohr zu halten, damit sie mal meine Stimme hören konnte. Sie schien gehofft zu haben, dass ich sie da raus holen würde. Leider konnte ich das nicht, sondern habe sie dann nur noch kurz vor ihrem Tod, als sie längst nicht mehr ansprechbar war, sehen können. In dieser Phase ständig in den Medien zu hören „Wir schützen mit unseren Maßnahmen die Alten und Kranken.“ hat mich äußerst aggressiv gemacht. Es kam bei mir als blanker Zynismus an.
      Ein wenig zynisch finde ich in Bezug auf alte Leute auch deine Aussage, dass es ja unbenommen sei, draußen Sport zu treiben. Das ist lebensfern. Ich kenne ältere Menschen, die bisher jeden Tag ins Schwimmbad gegangen sind, und sich dort mit Freunden getroffen haben. Für andere ist die wöchentliche Tanzgruppe das Highlight, oder der allmorgendliche Cafébesuch, bei dem man immer dieselbe Runde trifft. Und alte Menschen haben oft nicht die Perspektive, dass „ja in wenigen Monaten alles vorbei sei“, wie es so gerne behauptet wird.
      Was das BIP angeht, finde ich die offiziellen Prognosen erstaunlich optimistisch, wohingegen ich die Corona-Prognosen erstaunlich pessimistisch finde. Es kommt mir aber auch nicht so sehr aufs BIP an, sondern auf die Einzelschicksale, die betroffen sind (und die man eben gegen die bei Corona betroffenen Einzelschicksale abwägen muss aus meiner Sicht). Es sind ja längst nicht „nur“ Restaurants, Clubs, Bars und Hotels betroffen, sondern u.a. alle Bereiche, die vom Tourismus abhängen. Die Reisebüros ohnehin, aber auch viele kleine Einzelhändler, Künstler und Kulturschaffende, die oft ohnehin schon in eher prekären Verhältnissen leben. Und viele mehr.
      Was Herrn Drosten angeht: Es kommt mir nicht darauf an, ob er unfehlbar ist. Ich finde es nur seltsam, dass man in der Frage, um die es bei der politischen Entscheidung ja hauptsächlich geht, nämlich der Prognose, wie der Verlauf der Pandemie sich entwickeln wird, ausgerechnet jemanden als Hauptberater zu haben scheint, der genau bei dieser Prognose schon mehrfach daneben lag.
      Hinsichtlich der „Triage“ (ein mir bisher unbekannter Begriff): Dieses Horrorszenario wurde von Beginn an an die Wand geworfen. Es schürt Urängste, gerade deshalb sollte man damit aus meiner Sicht sehr vorsichtig umgehen. Denn wie du selbst schreibst, ist unser Gesundheitssystem eben zum Glück nicht vergleichbar mit dem Italiens. Trotzdem vergleicht man es genau in dieser Frage immer wieder mit diesem Land. Mit der „Behauptung“, dass das bei uns auch passieren könne. Passieren kann in dieser Welt alles Mögliche, die Frage ist, wie wahrscheinlich das ist (wie du ja an anderer Stelle selbst sagst.).
      Ja, es fehlt an Personal im Gesundheitssystem und das ist eine seit Jahren bekannte Entwicklung. Natürlich kann man jetzt nicht von heute auf morgen gegensteuern, und es ist löblich, dass man zumindest Einiges in letzter Zeit versucht in der Hinsicht. Man hätte allerdings vielleicht schon mal vorher darauf schauen können.
      Hauptsächlich frage ich mich aber, wo man denn hin will in der Corona-Politik? Es heißt immer: „Haben Sie ein wenig Geduld. Sie müssen sich jetzt nur kurz einschränken, und dann wird wieder alles sein, wie vorher.“ Weil am 1.12. Superman mit Super-Impfstoff vorbeigeflogen kommt…? Das war jetzt natürlich polemisch. Aber die wahrscheinliche Variante ist doch, dass die Ansteckungszahlen, wenn man sie jetzt gesenkt bekommt, spätestens Weihnachten wieder steigen werden. Und dann? Im Januar der nächste Lock-Down? Wieder mit Milliarden Staatshilfen? Im Februar wieder Lockerung und im März wieder dicht?
      Es wird sicher irgendwann Impfungen geben. Vermutlich mehrere, wie es jetzt auszusehen scheint. Sie werden mehr oder weniger gut schützen und mehr oder weniger Nebenwirkungen haben. Covid-!9-Fälle wird es weiterhin geben und es wird auch weiterhin schwere Verläufe geben. Nur vielleicht wird dann weniger darüber gesprochen werden … .
      LG

      Gefällt 7 Personen

      1. Zunächst mal tut es mir natürlich sehr leid, was deine Mutter und du da durchmachen mussten. Vor dem Hintergrund solcher persönlichen Erfahrungen sieht man manche Dinge natürlich anders, was ich vollkommen wertfrei meine. Und was die Auswirkungen auf die Psyche der Menschen angeht, habe ich ja auch geschrieben, dass ich da vollumfänglich deiner Meinung bin.

        Das Problem lag aber meines Erachtens darin, dass man hierzulande nicht im Geringsten auf ein derartiges Pandemiegeschehen vorbereitet war. Das konnte man schon an solchen banalen Dingen wie plötzlichem Nachschubmangel an Masken ganz gut ablesen. Und auch Pflegeeinrichtungen waren auf das Szenario dementsprechend nicht vorbereitet, was man daran ablesen kann, dass noch Ende April ein Drittel der Pandemie-Todesopfer ältere Menschen aus eben solchen Pflegeeinrichtungen waren. Wäre man besser vorbereitet gewesen, hätte man von Anfang entsprechende Konzepte in der Schublade gehabt, dann wäre sicherlich vieles besser gelaufen.

        Vor dem Hintergrund dieser Todeszahlen, in erster Linie unter älteren Menschen, hat man aber eben Entscheidungen treffen müssen. Wichtig hierbei ist aus meiner Sicht, dass es bei diesen anfänglichen Entscheidungen kein richtig und kein falsch gibt. Hätte man die Situation einfach laufen lassen, wäre in eurem Fall vielleicht vieles anders gekommen. Dafür hätte man aber eben vermutlich auch eine erhöhte Zahl an Ansteckungen und noch mehr Todesopfer zu verzeichnen gehabt, und irgendjemand würde vielleicht das Gegenteil von dem beklagen, was du beklagst, indem dieser jemand die Frage stellt, warum man ältere und kranke Menschen nicht besser geschützt hat.

        Dass die Aussage der Regierung, man schütze die Alten und Kranken, in diesem Fall als reiner Zynismus ankam, kann ich gut verstehen, ich glaube aber, dass man eben seitens der Regierung genau diesen Versuch unternommen hat, weil man befürchtet hat, dass die Situation noch viel schlimmer kommt, wenn man diesen Versuch nicht unternimmt.

        Was den Sport angeht, so war meine Aussage gar nicht zynisch gemeint, denn ich hatte beim Thema Sport tatsächlich eher jüngere Bevölkerungsgruppen im Kopf, denen es wohl wirklich leichter fällt, eigenständig Sport zu treiben. Dass hier ein Problem bei älteren Menschen besteht, sehe ich aber natürlich ein und bitte, meinen Gedankenfehler zu entschuldigen.

        Was das BIP angeht, so handelt es sich dabei, bzw. bei den Daten, die ich genannt habe, weniger um Prognosen, sondern um vorliegende, ganz belastbare Zahlen. 🙂 Und mir kommt es bei der Betrachtung, anders als dir, eben vermehrt auf Zahlen wie das BIP, die Arbeitslosenstatistik oder die Staatsverschuldung an. Der Grund dafür ist ganz einfach der, dass es aus meiner Sicht bei einer bundesweiten Entwicklung, einem bundesweiten Problem, den Auswirkungen einer Pandemie überhaupt keinen Sinn ergibt, seinen Blick auf Einzelschicksale zu richten,w as härter klingt, als es gemeint ist.

        Aber wenn wir nun schon mal den Blick auf Einzelschicksale richten und hierbei die Einzelschicksale derer, die unter den Einschränkungen wirtschaftlich leiden und die Einzelschicksale derer, die unter einer Covid-19-Erkrankung leiden, vergleichen, stellen wir uns mit dieser Sichtweise, überspitzt gesagt, nicht die Frage: Wie viele Todesopfer rechtfertigt die uneingeschränkte Weiterführung der Wirtschaft? Das finde ich nun wieder zynisch. 🙂 Aber wenn wir uns denn schon die Frage stellen, dann müssen wir uns auch die Frage stellen, welchen Schaden die Wirtschaft, meinetwegen auch wieder betrachtet auf Einzelschicksale, erleidet, wenn man keinerlei Maßnahmen ergreift!? Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler, kann mir aber gut vorstellen, dass die Auswirkungen eines hoffentlich recht kurzen, zweiten Lockdowns für die Wirtschaft eher zu verkraften sind als die langfristigen Folgen in einem Szenario ohne Lockdown.

        Zu Herrn Drosten: Diese große, täglich bundesweit erscheinende Zeitung, die ich gerne mal als „Rohstoffverschwendung mit vier Buchstaben“ bezeichne, versucht ja schon, aus bekannten Gründen, seit geraumer Zeit, Herrn Drosten schlecht dastehen zu lassen, dabei hat eben jener Drosten schon im März gesagt, dass er keineswegs so etwas wie ein Hauptberater der Regierung ist. Und daran hat sich nach wie vor auch nichts geändert. Zu den Beratern der Regierung zählen neben Herrn Drosten nämlich unter anderem auch die Leopoldina, das Helmholtz-Zentrum, die TU Berlin, natürlich das RKI und viele andere Organisationen und Wissenschaftler – die sich aber als „Feindbild“ augenscheinlich weniger eignen.

        Was das Horrorszenario der Triage angeht, so wurde das eben deshalb an die Wand geworfen, weil es passieren kann und weil es, wenn man jetzt nicht eingegriffen hätte, passieren würde. Ein starkes Gesundheitssystem kann ein solches Szenario nur verzögern, aber nicht verhindern. Rechenspiel: am 29. Oktober zählte man rund 1.700 Intensivpatienten. Diese müssen im Schnitt etwa 25 Tage im Krankenhaus bleiben. Derzeit verdoppelt sich diese Zahl allerdings etwa alle 10 Tage. Nehmen wir also mal an, diese Verdopplung bliebe stabil, dann hätten wir am 8. November rechnerisch 3.400 Intensivpatienten, am 18. November bereits 6.800 und am 23. November 10.200 – das Problem ist aber, dass Stand jetzt nur noch knapp 7.600 Intensivbetten frei sind. Das Szenario einer Triage ist also keineswegs nur ein fiktives Höllenszenario, sondern mathematische Gewissheit, wenn man nicht eingreift. Und meine Berechnung gilt übrigens nur bei gleichbleibenden Verdopplungsintervallen, von denen aber leider nicht ausgegangen werden kann. Erfahrungsgemäß werden die derzeit eher kürzer, was das Szenario zusätzlich dramatisiert.

        Was das Gesundheitssystem angeht, so bin ich da ganz bei dir. Da wurde und wird viel verpennt und die Menschen, die darin jetzt tätig sind, dürfen sehen, wie sie den Laden am Laufen halten. Traurig eigentlich.

        Und letztlich zum Ausblick auf die Zukunft: Ja, auch ich vermisse so ein bisschen klarere Aussagen, was genau man erreichen will und wie es danach denn dann weitergehen soll. Nur leider, und das wiederholen die Verantwortlichen aber auch schon seit Monaten gebetsmühlenartig, ist so ein Pandemiegeschehen etwas sehr dynamisches. Ich will sagen, das Geschehen macht es einem schwer, seriöse Zukunftsprognosen zu treffen, die einen bestimmten Zeitraum überschreiten. Versuchte man das, wäre das Kaffeesatzleserei. Es würde ja auch niemand zum jetzigen Zeitpunkt eine seriöse Vorhersage zum Wetter im Sommer 2021 treffen. 😉

        Grundsätzlich ging es mir darum, dass du argumentiert bzw. geschrieben hast, wie eine „ehrliche Kommunikation“, also eine auf Tatsachen beruhende, faktenorientierte Kommunikation, seitens der Verwantwortlichen aussehen müsse, nur um diesen Verantwortlichen teils Dinge in den Mund zu legen, die entweder nicht zutreffend sind oder aber reine Behauptungen darstellen oder gar Dinge, die niemand je gesagt hat oder sagen würde.

        Ich persönlich fand das etwas voreingenommen und argumentativ eher schwach, weswegen ich mich auch genötigt gesehen habe, so ausufernd darauf zu antworten. 😉

        Grundsätzlich ist aber natürlich klar, dass man in der Frage der Einschränkungen, wie eigentlich bei vielem anderen auch, unterschiedlicher Meinungen sein kann. Und darauf sollten wir uns vielleicht auch einigen, nämlich dass wir uns uneins sind. Nicht in allem, aber in vielem. Und dass das auch vollkommen okay so ist. 🙂

        Gefällt 2 Personen

        1. Nochmal eine sehr ausführliche Antwort, du scheinst dicht dran zu sein an den Entscheidungen … .
          Was deine Argumente angeht, wird es dich vermutlich nicht überraschen, dass ich sie nicht wirklich teile – und auch nicht unbedingt für gut oder gar zwingend halte… 😉
          Gut finde ich aber deinen letzten Absatz. Ja, man kann unterschiedlicher Meinung sein. Und ich finde es wichtig, dass man auch anderer Meinung sein kann bezüglich der offiziellen Corona-Politik, ohne deshalb gleich als „egoistisch“ oder „unsolidarisch“ beschimpft zu werden, wie es leider inzwischen so häufig geschieht.
          Für die Anteilnahme wegen meiner Mutter vielen Dank!
          Liebe Grüße und schönen Sonntag
          Maren

          Gefällt 3 Personen

      2. Liebe Maren, deine Erzählung über deine Mutter hat mich sehr erschüttert. Sie ist, wie alles, was du schreibst, so wichtig, um das Leiden im Einzelfall richtig zu begreifen. Meine Schwiegertochter verlor ihre Eltern nacheinander, erst die Mutter, dann den Vater ganz kurz vor dem ersten Lockdown, und wir sagten, bei allem Trauern um den Verlust der Eltern: welch ein Segen, dass sie gingen, als die Tochter sie noch begleiten konnte. Es sind so viele, so unmenschliche Dinge geschehen in der Zeit des Lockdowns, die sich jetzt, in abgemildeter Weise, wiederholen.
        Auch alles andere, was du in deinem Kommentar schreibst, zeugt davon, dass du die Dinge nicht von oben herab, sondern vom Standpunkt der Betroffenen aus siehst, und das ist so wohltuend. Ich selbst tue das auch, denn ich habe viele Freunde, die mit dem Überleben kämpfen, und ich bin privilegiert, weil ich eine zwar kleine, aber sichere Rente beziehe und sogar ein wenig aushelfen kann. Hier in Griechenland stehen nach 10 Krisenjahren und immer neuen Anläufen die Kleinbetriebe – und das sind mindestens 80 % alller Betriebe – vor dem Bankrott. Die Ausfälle im Tourismus, durch den sich auch viele Studenten und sogar Absolventen als Kellner über Wasser hielten, sind enorm. …
        Am schlimmsten aber finde ich, was den kleinen Kindern angetan wird, die jetzt in allen ihren Außenkontakten nur noch Menschen mit Masken kennenlernen. Und die Angst, Überall die Angst. Dagegen versuche ich anzusteuern mit Leichtigkeit, mit gutem Mut, denn ich habe keine Angst. Ich weiß, dass ich sterblich bin und sterben werde, diesen oder jenen Tag. Manchmal denke ich, dass dies nicht mehr meine Zeit ist, denn wie kann man sich das alles gefallen lassen?

        Gefällt 4 Personen

        1. Liebe Gerda, vielen Dank für deine einfühlsamen Worte! Ich selbst bin von den wirtschaftlichen Einbußen zum Glück auch nicht direkt betroffen. Aber gerade die kleinen Betriebe werden oft mit so viel Herzblut und Engagement betrieben, dass es mir einfach leid tut, wenn das jetzt so kaputt gehen sollte. In Griechenland ist das sicher alles noch viel stärker zu spüren. Und dass so viele Leute so viel Angst haben, das finde ich auch ganz schlimm! Statt zu schauen, dass man die Zeit, die man hier auf Erden hat, möglichst genießt und mit Glück und Freude füllt, huschen alle mit einer Maske verhüllt aneinander vorbei. So werden die Mitmenschen in der Wahrnehmung vieler nicht mehr als möglichst lächelnde freundliche Menschen angesehen, sondern als gefährliche potentielle Virenschleuder, die man im Zweifelsfall bekämpfen muss … . Es gibt ja nicht umsonst diesen tiefen Graben zwischen den Befürwortern der Maßnahmen und den Kritikern…. .
          Aber vielleicht wird hier auch nur ein Graben sichtbarer, der schon vorher da war. Zwischen Menschen mit einer ganzheitlicheren Weltsicht (und Vertrauen auf die eigene Intuition) und Menschen, die „Expertengläubig“ sind? Wer weiß?
          Liebe Grüße und schönen Sonntag
          Maren

          Gefällt 4 Personen

  4. Glückwunsch! Das ist ein Eintrag, den ich gänzlich gut heißen kann, weil er erfreulich unpolemisch daher kommt. Nachzutragen wäre, dass sich die Politik über richterliche Entscheidungen (Aufhebung des Beherbergungsverbots) hinwegsetzt und damit unser Rechtssystem schwächt. Womit gerechtfertigt?

    Gefällt 4 Personen

    1. Man setzt sich mitnichten über richterliche Entscheidungen hinweg. Das Beherbergungsverbot wurde zwar in einigen Bundesländern wie Niedersachsen oder Baden-Württemberg gerichtlich aufgehoben, aber es gilt in unserem Rechtsstaat immer noch der Rechtsgrundsatz, dass Bundesrecht Landesrecht bricht.

      Man stärkt also viel mehr den Rechtsstaat, wenn der neuerliche Versuch, das Beherbungsverbot durchzusetzen, zu einer juristischen Beurteilung auf Bundesebene führt.

      Kommt das dafür zuständige Gericht dann in letzter Instanz nämlich zu der Überzeugung, dass das Beherbergungsverbot unverhältnismäßig ist oder aus sonstigen Gründen gegen Rechtsgrundsätze verstößt, so hat man wenigstens zukünftig eine für alle einheitlich geltende Gesetzeslage. Winkt das Gericht dagegen das Beherbergungsverbot durch, sind die vorherigen Urteile auf Landesebene ohnehin obsolet.

      Gefällt 3 Personen

  5. Ich stimme vollumfänglich zu. Diese Art der Abwägung und Kommunikation würde ich mir auch wünschen. Darf ich das teilen? hg

    Gefällt 1 Person

  6. wie kopiere bzw teile ich das so, dass die Autorenschaft ersichtlich ist, also, dass es sich nicht um meinen eigenen Text handelt? Ich will mich schließlich nicht mit fremden Lorbeeren schmücken. 🙂

    Gefällt 1 Person

    1. Ehrlich gesagt weiß ich das auch nicht so genau. .. . Meine technischen Kenntnisse sind „ausbaufähig“, um es vorsichtig auszudrücken … ;-). Zur Not vielleicht einfach dazu schreiben, „Der Beitrag erschien auf …“?

      Like

      1. Ich hatte erst geteilt, aber dann erschien der Text auf meiner Seite, als wäre er von mir. Das erschien mir dann doch unpassend:). Ich habe jetzt unter meinen letzten Beitrag „Ich steige aus“, einen Link gesetzt. Okay? hg

        Gefällt 1 Person

  7. Manipulation der Massen.
    Die amerikanische Psychologieprofessorin Margaret Singer beschreibt Gehirnwäsche als eine sich in sechs Schritten vollziehende nicht sichtbare soziale Anpassung:

    Lass die Person in Unkenntnis darüber, was vor sich geht und wie sie sich Schritt für Schritt ändert.
    Kontrolliere Umgebung und Umwelt der Person, vor allem kontrolliere ihre Zeit.
    Erzeuge in der Person gezielt ein Gefühl der Ohnmacht und Angst.
    Stelle ein System von Belohnung und Strafe auf und steuere die Erfahrungen so, dass das Verhalten der Person, das ihre frühere Identität widerspiegelt, unterdrückt wird.
    Stelle ein System von Belohnung und Strafe auf und steuere die Erfahrungen so, dass die Person das neue Glaubenssystem und die Verhaltensnormen der Gruppe verinnerlicht.
    Entwickle ein in sich geschlossenes logisches System und eine autoritäre Machtstruktur, die kein Feedback und keine Kritik zulässt und ohne Zustimmung oder Anordnung der Führung nicht geändert werden kann.
    Auch zu empfehlen ist das 3 Phasen Modell nach Lewin, um, zu erkennen wie eine Gesellschaft sozial verändert wird!

    Zitat von Noam Chomsky:
    „Die Mehrheit der Bevölkerung versteht nicht, was wirklich geschieht. Und sie versteht noch nicht einmal, dass sie es nicht versteht!“

    Gefällt 2 Personen

  8. Die Palette der Überlegungen und Argumente, die hier angeführt wird, die teile ich auch. ABER, und genau das vermisse ich, die Logik des Faktors Zeit im Kontext zur Gefährlichkeit dieses Virus! Insofern haben wir alle leicht reden, der verantwortlichen Politik den Federball zuzuwerfen, hinzu kommt, daß da draußen jene „Covidioten“, alias Querdenker, sich mit solchen Zeilen bestätigt fühlen, alles richtig gemacht zu haben, von wegen Grundrechte uns nehmen, etc. Insofern kann ich deinen Beitrag eben nicht liken, weil er trotz allem polarisiert.

    Gefällt 1 Person

    1. Es ist vollkommen okay, dass du den Beitrag nicht „likst“…! Ich habe ja meine Wahrnehmung und meine Gefühle aufgeschrieben- und die muss selbstverständlich nicht jeder Mensch teilen! Ich habe eine andere Wahrnehmung von Viren, vielleicht auch vom Sinn des Lebens und von Ganzheitlichkeit, als viele andere. Deshalb bewerte ich die Maßnahmen anders, als du das tust. Was ich an deinem Kommentar allerdings nicht „liken“ mag, ist die Bezeichnung anderer Menschen als „Idioten „, nur weil sie eine andere Wahrnehmung haben, als du …😉. LG

      Gefällt 1 Person

      1. Dir ist vielleicht entgangen, daß ich die „Covidioten“ in Gänsefüßchen setzte. Deren Bedeutung ist hinlänglich bekannt. Was den Sinn des Lebens in seiner Ganzheitlichkeit anbelangt, da scheiden sich etliche Geister, das obliegt der Sache selbst je nach Erfahrung, die niemals gleichzusetzen ist. 😉

        Like

  9. Ich finde den Text wunderbar geschrieben und richtig. Ich sehe das genauso. Man macht es sich da „oben“ zu einfach und hat mittlerweile in seiner eingefleischten 20er Runde Scheuklappen auf und hört auch nur Experten, die das sagen, was sie hören wollen. Es wird keine andere Meinung angehört, geschweige denn ernsthaft diskutiert. Und gerade der Absatz mit den Sterbezahlen von Krebs usw. , der ist passend, denn das ist genau so ein Punkt, der mich auch aufregt. Krebs gibt`s schon Jahrzehnte. Solange wird auch schon geforscht und Millionen Gelder dafür ausgegeben, aber eine Impfung??? Fehlanzeige. Aber bei Corona gibt`s nach 12 Monaten ein Wundermittel!? Bei Krebs hat man es noch nichtmal geschafft, die ganzen Gifte in der Landwirtschaft abzuschaffen bzw. in unseren Lebensmittel, obwohl man weiß, daß sie mit der Auslöser sind.

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen lieben Dank dir für deine zustimmenden Worte!! Ich habe den Text ja damals geschrieben, als der Novemberlockdown beschlossen wurde, der uns dann erhalten geblieben ist…. . Mir scheint auch, dass ich damals mit meiner Einschätzung und meinen Fragen nicht so falsch lag. …
      Die Frage, warum alles in den „Kampf “ gegen Corona gesteckt wird und andere Erkrankungen (und Todesfälle) nicht mehr zu zählen scheinen, finde ich ebenfalls nach wie vor sehr wichtig! Herzliche Grüße! 💞💕

      Like

Kommentar hinterlassen